Luis Armando Albino ist sechs Jahre alt, als ihn eine wildfremde Frau anspricht – und einfach mitnimmt. 73 Jahre später wird er wiedergefunden – von seiner beharrlichen Nichte.
Es ist eine Geschichte, vor der sich alle Eltern grausen: Als Luis Armando Albino im Februar 1951 in einem Park in Oakland im US-Bundesstaat Kalifornien spielt, verspricht ihm eine Frau Süßigkeiten – und entführt den Sechsjährigen. Die Unbekannte bringt ihn auf die andere Seite der USA, an einen nicht näher genannten Ort an der Ostküste, wie die kalifornische Lokalzeitung „Mercury News“ berichtet. Dort übergibt sie Albino einem Paar, das ihn als seinen eigenen Sohn aufzieht. Erst jetzt, Jahrzehnte später, ist er wieder mit seiner Familie vereint.
Albino sei erst wenige Monate vor seiner Entführung mit seiner Mutter und fünf Geschwistern aus Puerto Rico eingewandert und habe noch kein Englisch gesprochen, erzählte die Familie dem Blatt. Die Frau habe ihn und seinen zehnjährigen Bruder Roger auf dem Spielplatz in ihrer neuen Heimatstadt auf Spanisch angesprochen, habe der Bruder damals der Polizei berichtet. Trotz einer Großfahndung sei der Junge nicht mehr gefunden worden.
Verzweifelte Suche nach Luis Armando Albino
Seine Verschleppung ist Albino noch vage im Gedächtnis geblieben. Er erinnere sich dunkel an die Flugreise, an die zuerst fremde Umgebung, erzählte der mittlerweile 79-Jährige nach der Wiedervereinigung seinen Angehörigen. Doch die Erwachsenen in seinem Leben hätten seine Fragen dazu nie beantwortet.
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Albinos Mutter Antonia habe bis zu ihrem Tod 2005 keinen Zweifel gehabt, dass ihr Sohn noch lebt, berichtete die Familie. Jahrelang sei sie täglich zur Polizei gegangen, irgendwann wöchentlich, am Ende nur noch einmal im Jahr. Aufgeben wollte sie den verlorenen Sohn nie. „Ich wusste immer, dass ich noch einen Onkel habe. Wir sprachen oft von ihm“, sagt auch Nichte Alida Alequin. „Sein Bild hing immer bei meiner Großmutter zu Hause.“
Alequin machte es sich zur Aufgabe, Albino zu finden. Und schließlich gelang es ihr auch.
Treffer in der Gen-Datenbank
Zu verdanken ist das modernen Gen-Datenbanken – und einer Menge Hartnäckigkeit. Bei „Ancestry“ hatte Alequin den Angaben zufolge einen Mann entdeckt, mit dem sie eine genetische Übereinstimmung von 22 Prozent hatte. Erste Bemühungen hätten aber weder Informationen über ihn zutage gefördert, noch habe er auf Kontaktversuche reagiert. Eine TV-Dokumentation über puerto-ricanische Einwanderer habe dann bei ihr das Feuer neu entfacht. Gemeinsam mit ihren Töchtern durchforstete die 63-Jährige eine Nacht lang das Internet, fand erste Informationen. Nachdem sie Online-Fotos des Mannes mit Archiv-Bildern Albinos verglichen hatte, war sie sich sicher: Das musste ihr verschollener Onkel sein.
Ab diesem Moment habe sie die Polizei informiert. Die lokalen Behörden bewerteten ihren Indizienberg als hinreichend, um auch mehr als 70 Jahre nach dem Verschwinden den Fall neu zu eröffnen. Die Bundesbehörde FBI schaltete sich ebenfalls ein. Nach einem DNA-Test des Mannes und von Alequins Mutter hätten irgendwann die Beamten vor der Tür gestanden: Der Mann war tatsächlich Luis Albino. „Ich schrie vor Erleichterung ein lautes YES“, erinnerte sich Alequin an den Moment der Erlösung.
Nach Jahrzehnten vereint
Nur vier Tage später war es so weit: Mit der Hilfe der Behörden wurde der mittlerweile 79-jährige Albino nach Oakland gebracht und dort von seiner Schwester und Nichte empfangen. Auch seinen 83 Jahre alten Bruder Roger besuchte er im Altenheim. Nur wenige Wochen später kam er im Juli erneut. Und blieb diesmal drei Wochen, um seine lange verlorene Familie besser kennenzulernen.
Albino selbst hat ein durchaus bewegtes Leben hinter sich. Er kämpfte im Vietnamkrieg und arbeitete danach jahrzehntelang als Feuerwehrmann. Er ist selbst längst Großvater.
Für seinen Bruder Roger kam die Rückkehr keinen Tag zu früh. Er starb im August. „Ich bin überzeugt, dass er glücklich starb“, meint Alequin. „Er hatte Frieden mit sich selbst gefunden, nun, da sein Bruder wieder da ist.“
Quelle: Mercury News