1999 wurde erstmals der Deutsche Fernsehpreis verliehen – und bald ist es wieder so weit. Die Geschichte des durchsichtigen Obelisken hat selbst Elemente von Drama und Komödie. Ein Aus- und Rückblick.
Die Tragik des Deutschen Fernsehpreises ist, dass in einem seiner bekanntesten Momente gar kein Preis verliehen werden konnte. 2008 war es, als der damals 88 Jahre alte Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki eine funkelnde Bühne in Köln betrat und die versammelte deutsche TV-Prominenz in eine Art Schockstarre versetzte.
„Ich nehme diesen Preis nicht an!“, zeterte der sogenannte Literaturpapst damals und zerschnitt mit seiner Hand fuchtelnd die Luft. „Und ich finde es auch schlimm, dass ich hier vier Stunden das erleben musste.“ Eigentlich hatte Reich-Ranicki den Preis für sein Lebenswerk bekommen sollen. Stattdessen legte der 88-Jährige die Axt an ein Werk der großen deutschen TV-Sender.
Der Fernsehpreis war zehn Jahre zuvor, 1998, von ARD, ZDF, RTL und Sat.1 gegründet worden. 1999 gab es die erste Verleihung. Daher feiert die Auszeichnung in diesen Tagen ein Jubiläum – 25 Jahre. Am Mittwoch (25. September) zeigt das Erste (20.15 Uhr) wieder eine große TV-Gala, moderiert von Barbara Schöneberger. Am Tag zuvor gibt es schon eine erste, etwas intimere Verleihung in bestimmten Kategorien: die „Nacht der Kreativen“, durch die Esther Sedlaczek führen wird.
Die Terminierung deutet schon an: Der Fernsehpreis hat auch den Furor Reich-Ranickis überlebt, weshalb man seine Geschichte auch nicht auf diesen durchaus ikonischen Moment verkürzen sollte. Dass der Zwischenfall aber noch heute in keiner Erzählung über die obeliskartige Trophäe fehlen darf, sagt einiges über ihre historischen Aufs und Abs aus.
Der Fernsehpreis sollte ein Ereignis werden
Rückblick: 1999 gingen die beiden TV-Preise Telestar von ARD und ZDF und Der Goldene Löwe von RTL im Deutschen Fernsehpreis auf. Die beteiligten Sender-Chefs vereinbarten, dass im jährlichen Wechsel eine Gala übertragen werden solle. Weniger Zersplitterung, mehr Ereignis – man dachte groß. Das Fernsehen war auch noch ein absolutes Leitmedium. Waren die deutschen Emmys geboren? So heißen die wichtigsten US-Fernsehpreise.
Im Oktober 1999 gewann dann – in einer gleich von vier Moderatorinnen und Moderatoren (Gabi Bauer/ARD, Johannes B. Kerner/ZDF, Kai Pflaume/Sat.1, Jochen Busse/RTL) präsentierten Gala – zum Beispiel „TV total“ den Preis als „Beste Unterhaltungssendung“. Die Show gibt es heute noch, wenn auch nicht mehr mit Stefan Raab, der nach einer langen TV-Pause allerdings auch wieder auf Sendung ist – was die Wege des deutschen Fernsehens ganz schön illustriert. „Wetten, dass..?“ wiederum wurde 1999 „Beste Show“. Genaue Beobachter bemerken da schon: Der Zuschnitt der Kategorien war nicht immer ganz trennscharf.
Zur größten Krise kam es allerdings erst rund 15 Jahre später. Immer wieder war Kritik wegen schlechter Quoten, oft wechselnder Kategorien und der Machart der Show aufgekommen. 2015 fiel die Verleihung ganz aus, danach wurde sie zunächst als Branchentreffen in abgespeckter Form weitergeführt. Zeitweise gab es auch keinerlei Übertragung im Fernsehen, was man bei einem TV-Preis als kurios bezeichnen kann.
Eine Art Wiedergeburt gelang erst in den vergangenen Jahren. Seit einiger Zeit hat sich die Aufteilung auf zwei Abende etabliert, was die ganze Verleihung entzerrt und längliche Award-Shows verhindert. Zudem kann man wieder im TV zuschauen. Im Hintergrund gab es ebenfalls Anpassungen. Getragen wird der Deutsche Fernsehpreis weiterhin von ARD, RTL, Sat.1, ZDF, aber auch von der Deutschen Telekom. Die Streaming-Anbieter Disney+, Netflix und Prime Video wirken als Partner mit.
„Der Fokus verlagert sich immer mehr auf zeitlich unabhängige Nutzung im Netz, und der Preis spiegelt so auch das veränderte Sehverhalten der Zuschauerinnen und Zuschauer wider“, sagt WDR-Intendant Tom Buhrow der Deutschen-Presse Agentur zu der strukturellen Veränderung. Er hat in diesem Jahr für die ARD den Vorsitzend im Stifter-Kreis inne. Buhrow bezeichnet den Preis auch als „die wichtigste Auszeichnung in Deutschland für das Medium „Bewegtbild“, egal ob linear oder digital“. Das Fundament sei, dass die ganze Branche Lust habe, ihre Besten zu ehren und zu feiern.
Vor der 25. Verleihung jubilierte auch der Juryvorsitzende Wolf Bauer. Man habe in diesem Jahr „einen programmlichen Gipfel gesehen“, erklärte er zur Qualität des gesichteten Materials. Ob das Marcel Reich-Ranicki auch so sehen würde, lässt sich nicht mehr recherchieren – der Literaturkritiker starb 2013.
Bemerkenswertes ist durchaus im Rennen. Unter anderem geht die Drama-Serie „Die Zweiflers“ der ARD mit sechs Nominierungen als ein großer Favorit in die Verleihung. Die tragisch-humoristische Miniserie dreht sich um eine jüdische Familie mit Feinkostladen und Restaurant in Frankfurt. Im April gewann die Produktion in Cannes (beim Internationalen Serien-Festival) bereits den Preis als „Beste Serie“ des Jahres.
Wie wichtig ist der Deutsche Fernsehpreis?
„Für die Fernsehbranche ist der Preis wichtig“, stellt der Kommunikationswissenschaftler Lothar Mikos fest – auch wenn man sicherlich nicht von „den deutschen Emmys“ sprechen könne. Auch sei das Renommee des Grimme-Preises sicherlich besser.
Die Nachwehen von Reich-Ranickis Wut-Rede schätzt Mikos aber als recht milde ein. „Es ist inzwischen eher eine lustige Anekdote, die zum Besten gegeben werden kann“, sagt er. Die Kritik habe damals „auf falschen Vorstellungen vom Fernsehen“ beruht.
Deutscher Fernsehpreis