Die Bayern schenken Leverkusen im Wiesn-Gipfel nicht wie gewünscht ein, erleben aber auch keinen neuen Kater. Im Gegenteil: Nach der Titeltristesse sehen sich die Münchner auf einem meisterlichen Weg.
Harry Kane lächelte, als er nach dem Meister-Gipfel umringt von einigen Fans vor dem Mannschaftsbus für Fotos posierte. Der Bayern-Torjäger gab nicht nur Entwarnung nach seiner Verletzung, sondern freute sich auch ohne Sieg im Spitzenspiel gegen Bayer Leverkusen über ein vielversprechendes Signal nach der jüngsten Titeltristesse. „Wenn wir so weitermachen, wird es hart, uns zu stoppen“, sagte der 31-Jährige nach dem 1:1 und einem überlegenen Auftritt gegen den Doublegewinner.
Beim deutschen Fußball-Rekordchampion ist die „Mia-san-Mia“-Mentalität zurück. „Wir haben viel richtig gemacht“, sagte Trainer Vincent Kompany. „Es sah aus, wie ein Topspiel aussehen muss. Wir wissen, wenn wir da so weitermachen, können wir viele Spiele gewinnen.“ An seine Seite brachte Leverkusens Meistertrainer Xabi Alonso auf den Punkt, was sich beim Rivalen im Vergleich zu Vorsaison geändert habe. „Die Energie, der Glaube – das kann man fühlen. Und das nicht nur heute“, sagte der Baske.
„Crunchtime“ noch weit weg
Die Münchner agieren dominant und mutig, Kompany fokussiert sich auf das eigene Spiel und richtet sich nicht in erster Linie nach dem Gegner. Der Belgier lässt sein riskantes Pressing auch gegen ein offensivstarkes Team wie Bayer spielen. Unter dem Strich stand trotz Überlegenheit und Chancenplus aber kein Sieg der unter Kompany weiter ungeschlagenen Bayern. Dazu gab es die Erkenntnis, dass die Vorsaison-Überflieger aus Leverkusen auch diesmal ein harter Widersacher im Kampf um die Titel sein werden.
„Crunchtime in der Bundesliga und in den Wettbewerben ist März, April, Mai“, sagte Sportvorstand Max Eberl. Er haderte nur kurz mit dem verpassten Sieg: „Es ist ein Unentschieden, aber die Art und Weise war schon sehr beeindruckend. Es ist auch ein schönes Signal.“ Mit dieser Dominanz werde man viele Siege einfahren. Und wieder Titel?
Erstmal müsse man sich alle drei Tage wieder neu beweisen, sagte Eberl. Die Münchner treten am Mittwoch bei Aston Villa an, Leverkusen empfängt am Dienstag die AC Mailand.
Pavlovic mit Traumtor und Versprechen
„Wir werden noch mehr Gas geben, noch härter an uns arbeite und dann geht’s ab“, sagte Jung-Nationalspieler Aleksandar Pavlovic. Bei der ausgebliebenen Torshow stand der 20-Jährige in Anwesenheit von Bundestrainer Julian Nagelsmann im Blickpunkt. Sein Fehlpass führte zum Eckball, nach dem DFB-Kollege Robert Andrich zum 1:0 für die Gäste traf (31. Minute). Acht Minuten später glich Pavlovic mit einem traumhaften Distanzschuss aus. „Das schönste Tor meiner Karriere – bis jetzt“, sagte er. Nicht spielentscheidend waren dieses Mal die Nationalmannschaftskünstler Jamal Musiala für Bayern und Florian Wirtz für Bayer.
Kane traf auch nicht. Erstmals war er in dieser Saison in einem Bayern-Spiel weder Vorbereiter noch Torschütze. Zu allem Übel verpasste Englands Nationalmannschaftskapitän die Schlussphase, weil er angeschlagen vom Feld musste. „Alles gut“, beschwichtigte Kane auf dem Weg aus der Arena. „Es tut ein bisschen weh. Aber ich denke, es ist okay.“ Auch der zunächst besorgte Eberl war nach einer ersten Schnelldiagnose erleichtert. „Er ist aus gutem englischem Holz“, sagte der 51-Jährige.
Kapitän zurück – mit zuversichtlicher Prognose
Wieder besser geht es dem zuletzt wegen Oberschenkelproblemen fehlende Manuel Neuer, der gegen den Meister wieder im Tor des Rekordchampions stand. „Wenn wir so weiterspielen, wie wir es in den vorherigen Spielen und gegen Leverkusen gezeigt haben, dann stimmt uns das zuversichtlich für die Saison“, sagte der Kapitän. Die Defensive um die in der Vorsaison wiederholt wackeligen Minjae Kim und Dayot Upamecano stand sicher. Durch das frühe Stören als Gesamtteam ließen die Münchner die spielstarken Leverkusener nicht zur Entfaltung kommen.
„Wir wollten unbedingt zu Hause gewinnen und zeigen, was los ist“, sagte Serge Gnabry, der kurz nach der Pause in einer Szene erst den Innenpfosten und dann die Latte traf. Doch auch ohne diesen Sieg sei es „ein Ausrufezeichen“, sagte Eberl. „Aber wir sind jetzt nicht so vermessen und sagen, wir grüßen nur noch von oben.“
Leiden statt „Tiki-Taka“
Zumal die Gäste nach einigen wackeligen Auftritten in dieser Saison diesmal stabiler verteidigten. „Es wünscht sich jeder aufgrund der letzten Saison, dass wir überall hin fahren, das Tiki-Taka auspacken und jeden Gegner brutal bespielen“, sagte Torschütze Andrich. Man müsse auch mal mit Verteidigungsarbeit punkten. „Wir waren bereit, zu verteidigen und zu leiden“, sagt Alonso. „Disziplin und Leidenschaft waren top, aber mit dem Ball wollen wir besser spielen.“