Galten die Grünen einst als Partei der jungen Menschen, lösen sie mittlerweile bei vielen Ängste aus. Eine Vertreterin der Gen Z geht der Frage nach, warum das so ist.
Das Institut für Generationenforschung hat mit seiner Jugendwahlstudie 2024 ein brisantes Ergebnis ans Licht gebracht: Die politischen Prioritäten der Gen Z haben sich verschoben. Während vor einigen Jahren noch der Klimawandel das dominierende Thema war, stehen nun Migration, Perspektivlosigkeit, Rechtsextremismus und soziale Ungerechtigkeit ganz oben auf der Agenda junger Menschen. Diese Entwicklung war absehbar, doch ein Detail der Studie hat mich regelrecht kalt erwischt.
Worum geht es?
30 Prozent der Ostdeutschen und 25 Prozent der westdeutschen Erstwähler gaben an, Angst vor den Grünen zu haben. Sie werden als „extreme Partei“ wahrgenommen, die in das Leben der Menschen eingreifen will. Nur die AfD löst bei jungen Menschen noch mehr Furcht aus.Mein Name ist Livia Kerp, ich bin 22 Jahre jung, komme aus München und bin Videoredakteurin und Autorin (How to Politik). Seit ich 13 Jahre alt bin, schreibe auf meinem jugendpolitischen Blog aus der Sicht der GenZ.
© James Zabel
Laut der Studie stehen also AfD, die Grünen und das Bündnis Wagenknecht auf einer Stufe der Angst. Dass sich die Stimmungslage in meiner Generation wandelt, war mir klar, aber dieses Ergebnis hat mich dann doch überrascht.
Jetzt stellt sich die Frage: Wie gehen die Grünen mit diesem alarmierenden Ergebnis um? „Mein erster Gedanke war: Uff! Das dürfen wir nicht einfach so stehen lassen“, sagt Heiko Knopf, stellvertretender Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen. Knopf hat mittlerweile, wie der gesamte Bundesvorstand, seinen Rücktritt zum November angekündigt. Das Gespräch fand vorher statt. „Junge Menschen mussten in letzter Zeit mit vielen Problemen kämpfen – Corona, der Krieg, steigende Preise. Sie sehnen sich nach Stabilität, nicht nach öffentlichem Streit. Zudem sind sie ständig von bedrohlichen Nachrichten, gruseligen Videos und Fake News in den sozialen Medien umgeben“, sagt Knopf.
Aber wie wollen die Grünen dieser Entwicklung entgegentreten? „Über uns wird viel Unsinn verbreitet“, erklärt Knopf. „Ein Fleischverbot zum Beispiel – das ist pure Erfindung. Hier müssen wir aktiv gegensteuern und klarstellen, was wir wirklich wollen: beste Bedingungen für junge Menschen – in der Schule, in der Ausbildung, bei der Teilhabe und beim Erwachsenwerden.“
Grüne ohne Alleinstellungsmerkmal?
Knopfs Argumentation ist nachvollziehbar, aber das Grünen-Bashing ist sicher nicht die alleinige Ursache für das Phänomen. Die politische Stimmungslage in meiner Generation ist komplexer. Für viele junge Menschen haben die Grünen längst das Alleinstellungsmerkmal in der Klimapolitik verloren. Gleichzeitig gelingt es der AfD und dem Bündnis Wagenknecht (BSW) viel besser, junge Menschen über Social Media zu erreichen. Sie greifen die Zukunftsängste der GenZ gezielt auf und vermitteln ihnen das Gefühl, gehört zu werden. Besonders im Osten ist die Perspektivlosigkeit, die über Generationen hinweg weitergegeben wird, ein entscheidender Faktor.
Die Herausforderung für die Grünen und die Demokratie
Ob die Grünen diesen Wandel wirklich ernst nehmen und selbstkritisch analysieren, was schiefgelaufen ist, wird sich zeigen. Und ob sie es schaffen, die junge Generation zurückzugewinnen.
Das Problem betrifft nicht nur die Grünen. Alle demokratischen Parteien sind gefordert, auf Social Media stärker präsent zu sein und effektiver auf die Anliegen junger Menschen einzugehen. Dieser Bereich sollte in der demokratischen Politik eine viel höhere Priorität haben – hier gibt es noch enormen Nachholbedarf.