Nach der Parlamentswahl in Österreich hat Bundespräsident Alexander Van der Bellen zunächst offengelassen, wen er mit der Regierungsbildung beauftragen wird. Er werde in der kommenden Woche Gespräche mit allen im Nationalrat vertretenen Parteien führen, sagte Van der Bellen am Sonntagabend im österreichischen Sender ORF. „Jetzt geht es darum, aufeinander zuzugehen, Lösungen und Kompromisse zu finden. Das kann schon dauern, aber es ist gut investierte Zeit“, fügte er hinzu.
In den Gesprächen mit den Parteien werde es darum gehen, „auszuloten, wer mit wem kann“. Wer alleine keine Mehrheit habe, müsse andere „überzeugen“ – und zwar andere Parteien „genauso wie den Bundespräsidenten“, sagte Van der Bellen. Er werde darauf achten, dass die künftige Regierung nicht an den Fundamenten rüttele, „auf denen wir unseren Wohlstand aufgebaut haben“. Dazu zählten der Rechtsstaat, die Gewaltenteilung, Menschenrechte, die Unabhängigkeit der Medien sowie die Mitgliedschaft in der EU, sagte der Präsident.
Hochrechnungen zufolge wurde die oppositionelle FPÖ bei der Nationalratswahl mit 28,8 Prozent der Stimmen stärkste Kraft. Die bisher regierende ÖVP verlor demnach gut elf Prozentpunkte und landete mit 26,3 Prozent auf dem zweiten Platz. Ob es dem stramm rechten FPÖ-Chef Kickl gelingt, Koalitionspartner zu finden, ist ungewiss. Kanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer schloss eine Zusammenarbeit mit Kickl als Regierungschef am Wahlabend erneut aus.
Aufgrund von Kickls umstrittenen Äußerungen und Positionen könnte sich der aus den Reihen der Grünen stammende Bundespräsident Van der Bellen weigern, den FPÖ-Chef mit der Regierungsbildung zu beauftragen. Der direkt gewählte Staatschef ist laut Angaben auf der Website des Präsidialamt „verfassungsmäßig völlig frei“, er muss demnach nicht den Kandidaten der stärksten Fraktion auswählen. In diesem Fall könnte der amtierende Kanzler Nehammer erneut zum Zug kommen.