Eine 15-jährige Kurdin erleidet auf der Flucht aus der Türkei in München einen tödlichen Stromschlag von einer Bahn-Oberleitung. Nun geht der Prozess gegen ihren mutmaßlichen Schleuser zu Ende.
Im Prozess um den Tod einer 15 Jahre alten Kurdin nach einem Stromschlag von einer Bahn-Oberleitung in München wird heute (13.00 Uhr) das Urteil erwartet. Die Staatsanwaltschaft fordert zehneinhalb Jahre Haft für den mutmaßlichen Schleuser des Mädchens. „Die kriminelle Energie des Angeklagten ist erheblich“, sagte Staatsanwalt Kai Gräber in seinem Schlussplädoyer. Die Indizienlage gegen ihn sei „überwältigend“.
Der Iraker, der bis zu seiner Festnahme in der Schweiz lebte, zeige eine „Nonchalance im Umgang mit Menschenleben“ und habe mit dem Geld aus seinen Schleuserfahrten schlicht „auf dicke Hose machen“ und seiner 20 Jahre jüngeren Geliebten ein Luxusleben bieten wollen.
20 Prozent ihrer Haut verbrannt
Die 15-Jährige hatte sich im Mai 2022 mit anderen auf einem Güterzug von Verona nach München im Anhänger eines Lastwagens versteckt. Beim Aussteigen wurde sie durch einen Starkstromschlag so schwer verletzt, dass sie Tage später starb. 20 Prozent ihrer Haut waren nach Angaben der Staatsanwaltschaft verbrannt.
Auch ihr damals zwölf Jahre alter Bruder wurde bei dem Vorfall an der Hand verletzt, und ein ebenfalls eingeschleuster 19-Jähriger so schwer, dass auch er beinahe nicht überlebt hätte. Laut Staatsanwaltschaft erlitt er Verbrennungen dritten Grades an Kopf und Beinen und sei „auch heute noch schwerst verletzt“.
Staatsanwalt: „Wir wollen Schleuser abschrecken“
Der Angeklagte soll die Schleusungen als Mitglied einer Bande gewerbsmäßig organisiert haben. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm unter anderem schwere und gefährliche Körperverletzung vor, in einem Fall mit Todesfolge. Die Menschen, denen er versprach, sie nach Deutschland zu bringen, seien „nicht in der Lage, die Gefahr zu erfassen“, sagte der Staatsanwalt. „Die wollen ihre Flucht, die denken da nicht dran.“ Aber die Bevölkerung habe kein Verständnis für Menschen, die diese Situation ausnutzen und „einen Reibach machen“. „Wir wollen Schleuser abschrecken“, sagte er. „Hier muss hart zugeschlagen werden.“
Die Verteidigung des Angeklagten forderte Freispruch für den Mann, der sich im Prozess nicht zu den Vorwürfen geäußert hatte. Seine Beteiligung an der Schleusung habe in der Verhandlung nicht nachgewiesen werden können, sagten sie.