Verhaltensforschung: Weit geöffnete Delfin-Schnauze signalisiert Spielverhalten
Alles nur ein Spiel: Es kann überlebenswichtig sein, einem wehrhaften Artgenossen diese Botschaft gut zu übermitteln. Delfine nutzen dafür einen von Primaten und Wölfen bekannten Ausdruck.

Alles nur ein Spiel: Es kann überlebenswichtig sein, einem wehrhaften Artgenossen diese Botschaft gut zu übermitteln. Delfine nutzen dafür einen von Primaten und Wölfen bekannten Ausdruck.

Delfine mögen so wirken, als würden sie ewig lächeln – tatsächlich lässt sich aus ihrer Mimik recht wenig ablesen. Zumindest ein klares Signal gibt es aber: Beim Spielen reißen die Meeressäuger einer Studie zufolge gerne mal das Maul auf – was aussieht, als würden sie ihr Gegenüber offen anlachen. Der Ausdruck werde vor allem dann genutzt, wenn der jeweilige Spielkamerad ihn sehen könne, berichtet das Forschungsteam im Fachjournal „iScience“. Häufig werde er dann von diesem erwidert.

Auf Menschen wirkt es so, als würden Delfine immer lächeln. Tatsächlich ist der Gesichtsausdruck eine angeborene anatomische Eigenschaft und sagt nichts über die Gefühlslage der Tiere aus. Sie lächeln vermeintlich auch dann noch, wenn sie schlimm gestresst sind oder starke Schmerzen haben.

Wer spielt wie mit wem?

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Elisabetta Palagi von der Universität Pisa beobachteten nun Große Tümmler (Tursiops truncatus), die ausgesprochen gerne spielen. Sie filmten und analysierten, wie in Gefangenschaft lebende Tiere miteinander, allein oder mit ihren Trainern spielten.

Demnach zeigen die Tümmler einen „Open Mouth“ genannten Ausdruck hauptsächlich während sozialem Spiel mit anderen Delfinen oder – seltener – Menschen, fast nie beim Einzelspiel. Konnte der Spielkamerad die aufgerissene Schnauze sehen, riss er seine häufig ebenfalls auf – was auf Menschen wirkt, als würden sich die Tiere fröhlich anlachen.

Die Ergebnisse zeigten zum einen, dass der Open-Mouth-Ausdruck auch bei Delfinen vorkommt, und zum anderen, dass Große Tümmler wohl in der Lage sind, das Verhalten von Artgenossen zu spiegeln, heißt es von den Forschenden.

Spielzeit ist Trainingszeit

Viele Tiere spielen vor allem in ihrer Kindheit gern und ausgiebig. Dabei werden später benötigte Bewegungsabläufe – etwa für die Jagd oder den Kampf mit Artgenossen – geschult. Soziale Interaktionen und Hierarchien werden erlernt, auch Balz- und Paarungsverhalten können spielerisch erprobt werden.

Bei einigen Tiergruppen wie Wölfen, Primaten und Delfinen spielen auch die erwachsenen Gruppenmitglieder noch oft. Kommunikation ist dabei von zentraler Bedeutung: Schließlich haben die genutzten Verhaltensweisen und Mimiken teils für Aggression typische Muster – freundschaftliches Spiel kann ungewollt in echten Kampf ausarten.

Ein Beispiel für solche Kommunikation ist der wohl vom Beißen abgeleitete Open-Mouth-Ausdruck: ein weit geöffnetes Maul, bei dem aber nicht drohend die Zähne gezeigt werden und die Gesamtmimik entspannt bleibt. Es signalisiere dem Gegenüber, dass alles Rangeln und Ärgern gerade als Spaß zu verstehen ist. Zu sehen sei der Ausdruck auch beim Menschen, erläutern die Forschenden: beim Lachen.

Lebenslang zu Späßen aufgelegt

Auch Große Tümmler sind lebenslang für Spaß zu haben. Sie nutzen natürliche Wellen zum „Surfen“ oder schwimmen vor Schiffen in deren Bugwelle, springen mehrere Meter hoch aus dem Wasser und schlagen mit der Schwanzflosse auf die Wasseroberfläche. Auch Tang, Korallen oder anderen Meerestiere sind beliebte Spielobjekte. Zudem erzeugen die Delfine unter Wasser gezielt Luftblasen, mit denen sie spielen. All das lieber gemeinsam mit anderen als allein.

Delfine haben eines der komplexesten vokalen Kommunikationssysteme im Tierreich entwickelt: Sie verständigen sich über diverse Unterwasserlaute wie Klicks und Pfiffe. So können sie auch in trüben Gewässern kommunizieren, in denen visuelle Signale nur schwer zu erkennen wären.

Warum nutzen Delfine dann beim Spielen überhaupt den Open-Mouth-Ausdruck? Bei Tönen würden sie riskieren, dass Fressfeinde auf sie aufmerksam werden, vermuten die Forschenden. Das sei gerade beim Spiel – wenn der weiteren Umgebung weniger Aufmerksamkeit gewidmet werde als sonst – ungünstig.