Nach den Wahlen und Turbulenzen im Thüringer Landtag mehren sich Forderungen nach einem AfD-Verbot. Im Landesverband von Rechtsaußen Björn Höcke vermutet man eine Strategie.
Es gibt Befürworter und Gegner, treibende Kräfte und Skeptiker: Nach den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg nimmt die Debatte um ein AfD-Verbotsverfahren weiter Fahrt auf. Im Thüringer AfD-Landesverband von Rechtsaußen Björn Höcke rechnet man mit der Bindung erheblicher personeller und finanzieller Ressourcen, sollte es zu einem Verfahren kommen. „Sollte es ein solches Verfahren geben, wird es für die Partei anstrengend“, heißt es aus Kreisen des AfD-Landesverbands.
Ein Verbotsverfahren könnte womöglich Jahre dauern und am Ende beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte landen, sagte ein Thüringer AfD-Funktionär.
Schaft: Demokratische Institutionen schützen
Der Politiker äußerte die Vermutung, dass die Bindung von Ressourcen das eigentliche Ziel der möglichen Antragsteller sein könnte. „Sie hoffen, dass man die Partei genug damit beschäftigt, dass sie sich politische Arbeit an anderer Stelle nicht leisten kann.“
Die Debatte um ein AfD-Verbotsverfahren war nach den Turbulenzen bei der ersten Thüringer Landtagssitzung nach der Wahl neu entfacht worden. Thüringens geschäftsführender Innenminister Georg Maier (SPD) etwa sagte, die Ereignisse hätten gezeigt, dass die AfD aggressiv-kämpferisch gegen den Parlamentarismus vorgehe. „Ich denke, dass damit die Voraussetzungen für ein Verbotsverfahren gegeben sind“, hatte Maier unter dem Eindruck der ersten Landtagssitzung auf der Plattform X geschrieben.
Thüringens Linke-Chef Christian Schaft mahnte an, die demokratischen Institutionen vor der AfD zu schützen. Die AfD habe bei der ersten Sitzung des neuen Thüringer Landtages „ihr zerstörerisches und demokratiezersetzendes Tun konkret unter Beweis gestellt“, sagte der 33-Jährige. „Die demokratischen Institutionen brauchen einen wirksamen Schutz und deshalb ist ein Verbotsverfahren richtig und muss gut vorbereitet sein.“ Zugleich betonte er, für ein Verbotsverfahren brauche es eine „hieb- und stichfeste Material- und Beweissammlung“.
AfD sät Zweifel an Unabhängigkeit der Justiz
Die erste Thüringer Landtagssitzung war vor mehr als einer Woche chaotisch verlaufen und wurde mehrfach unterbrochen. Der 73 Jahre alte AfD-Abgeordnete Jürgen Treutler hatte die Sitzung geleitet und mit seinem Agieren massiv Kritik auf sich gezogen. Treutler, der nicht als Alterspräsident gewählt wurde, sondern wegen seines Alters in diese Position gekommen war, versuchte, Parlamentariern das Wort zu entziehen und weigerte sich, Abstimmungen durchzuführen.
Experten sahen in seinem Agieren Verfassungsbruch. Der Verfassungsgerichtshof stellte später fest, dass Treutler nicht berechtigt gewesen sei, die Feststellung der Beschlussfähigkeit des Landtags und die Abstimmung über die Tagesordnung zu verweigern. Die Thüringer AfD wird vom Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft und beobachtet.
Mehrere Vertreter der AfD zweifelten die Unabhängigkeit der Gerichte an. Auch mit Blick auf ein mögliches Verbotsverfahren hieß es aus AfD-Kreisen, die Gerichte seien in vielen Fällen politisch besetzt. Vorschläge machten politische Parteien, die die AfD bekämpften. „Insofern weiß man, dass man sich nicht allein auf die Gerichte verlassen kann.“ Die Justiz in Deutschland ist unabhängig. Der Deutsche Richterbund hatte der AfD vorgeworfen, unabhängige Gerichte zu diskreditieren.
Etliche Politiker äußerten sich auch skeptisch, ob ein Verbotsverfahren der richtige Weg im Umgang mit der AfD ist. Auf die Frage, ob er dafür sei, ein solches anzustrengen, sagte der frühere Bundespräsident Joachim Gauck den Zeitungen der Funke Mediengruppe: „Nein, überhaupt nicht. Mein Bauchgefühl würde der Partei das Verbot herzlich gönnen. Als Demokrat, der die offene Gesellschaft schätzt, regt es mich total auf, dass wir der Partei über die Parteienfinanzierung auch noch Mittel zuweisen müssen. Aber in der Politik darf man nicht nur fühlen.“
Geldhahn zudrehen oder Landesverbände verbieten
Grünen-Chef Omid Nouripour dagegen zeigte sich offen für ein AfD-Verbotsverfahren. „Alleine das, was an öffentlicher Beweislast gegen die AfD vorliegt, ist erdrückend groß. Eine wehrhafte Demokratie kann ihrer eigenen Zersetzung durch Antidemokraten nicht folgenlos zuschauen“, sagte er der „Welt“.
Die AfD wird vom Bundesamt für Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall beobachtet. Einige Landesverbände, darunter der Thüringer, sind vom jeweils zuständigen Landesverfassungsschutz als erwiesen rechtsextremistisch eingestuft.
Der sächsische CDU-Bundestagsabgeordnete und frühere Ostbeauftragte Marco Wanderwitz hatte schon vor Monaten angekündigt, einen AfD-Verbotsantrag in den Bundestag einbringen zu wollen. Medienberichten zufolge hat er Unterstützer in mehreren Fraktionen.
In dem Antrag soll behelfsweise auch ein Stopp der Parteienfinanzierung für die AfD eine Rolle spielen. Diskutiert wird seit langem auch, ob zumindest ein Verbot einzelner Landesverbände möglich erscheint.
In der Thüringer AfD rechnet man laut Kreisen nicht damit, dass sich ein möglicher Generationenwechsel im Landesverband auf ein Verbotsverfahren auswirken würde. Seit einiger Zeit gibt es immer wieder Spekulationen, die Thüringer AfD könnte sich personell neu aufstellen und Landespartei- und Fraktionschef Höcke könnte eine Kandidatur für den Bundestag erwägen. Die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ hatte darüber berichtet.