Die Außenministerin war zu Gast in der Talkshow von Caren Miosga. Die entschied sich dafür, ihre Show mit allerlei Themen vollzupacken – zu vielen Themen.
Der Jahrestag des Angriffs der Hamas auf Israel am 7. Oktober jährt sich zum ersten Mal. Selbstverständlich ein wichtiges Thema, dem Caren Miosga zumindest den Titel ihrer Sendung widmete.
„Ist der Krieg im Nahen Osten noch zu stoppen, Frau Baerbock?“, war die übergeordnete Frage des Talks. Es war absehbar, dass, wenn die Außenministerin schon zu Besuch ist, möglichst viele Themen in der Talkstunde abgehandelt werden sollen. Das Problem an genau dieser Denke: Am Ende weiß man von vielem ein bisschen und nichts so richtig.
Zu Gast bei „Caren Miosga“ waren:
Annalena Baerbock, Bundesaußeministerin, Bündnis 90/Die GrünenGuido Steinberg, Nahost-Experte, Stiftung Wissenschaft und PolitikDaniel Gerlach, Journalist
Der Nahost-Konflikt ist vielfältig, facettenreich und, auch wenn Menschen einfache Lösungen bevorzugen, komplex. Es gibt also weder auf die Frage „Wie löst man diesen Konflikt?“ noch auf die von Miosgas Redaktion gestellte Frage eine einfache Antwort. Oder vielleicht überhaupt eine Antwort. Denn niemand hat eine Glaskugel, um in die Zukunft sehen zu können. Niemand kennt alle Hintergedanken, Nebenabsprachen, Strategien aller an diesem Krieg Beteiligten. Es geht um den Schutz der Zivilbevölkerung, das Recht auf Selbstverteidigung, Terrororganisationen und Macht. All das, an sich schon vielschichtige Themen, werden bei solch großen Fragen dann nur angerissen und in Form des Politiktalks weiter in die Welt getragen.
Baerbocks Besuch bei „Caren Miosga“ bleibt oberflächlich
Es lassen sich Zitate herauspicken, die dann jeder für die eigene Meinung ummünzen kann, je nach Sichtweise. Es war zu erwarten, dass an diesem Talkabend mal wieder nur an der Oberfläche gekratzt werden kann. Zum einen, weil Annalena Baerbock selbstredend keine Interna preisgeben kann, die nicht offiziell sowieso schon verbreitet wurden, zum anderen, weil es eben als Aufhänger einer Talksendung immer die ganz große Keule sein muss.
Natürlich interessiert es die Zuschauer, was im Nahen Osten passiert, schon allein, weil Deutschland gar nicht so weit entfernt ist. Weil es noch einen weiteren Krieg in der Ukraine gibt, weil Kriege Migrationen von Menschen bedingen, weil unser aller Freiheit und auch Wohlstand bedroht wird, wenn Terrororganisationen Politik bestimmen wollen.
Es ist nur schlicht nicht zielführend, sich keine Teilaspekte herauszusuchen, um die verständlich zu erörtern, sondern die ganze Bandbreite aufzufahren. Nicht zu vergessen, dass Politiktalkshows immer auch Parteienwerbung sind.
Daniel Gerlach warf dem Bundeskanzler vor, „das Thema [Nahost] scheint ihn nicht zu interessieren“. Worauf Annalena Baerbock zur Verteidigung übergehen musste, es entspann sich eine Diskussion darüber, wie viel Deutschland überhaupt in der Region beeinflussen kann und ob sich das Land da nicht maßlos überschätzt. Die Außenministerin riet immer wieder zur Besonnenheit, zum Verständnis dafür, dass Diplomatie nicht bedeutet, einen „Zauberstab“ zu schwingen, sondern vielmehr auf reale Herausforderungen mit Fingerspitzengefühl zu agieren und eben gemeinsam für eine Sache einzustehen. „Diplomatie bedeutet auch, Schlimmeres zu verhindern“, gab Baerbock zu bedenken. Sie erkannte aber an, dass Deutschland allein in diesem Krieg nichts erreichen könne.
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Nebenschauplätze statt echte Politik
Übrigens auch im Ukraine- Krieg nicht. Caren Miosga hielt sich lange mit der Frage auf, ob Olaf Scholz jetzt einen anderen Weg einschlagen würde als die Außenministerin, weil er sich gegen die Nutzung von Waffen aussprach, die russische Ziele treffen. So wollte Baerbock die Aussagen des Kanzlers aber nicht verstanden wissen. Stattdessen bekräftigte sie in der Talkshow, es gehe nur um „Nuancen“ und man sei, zusammen mit anderen Ländern „im Team für den Frieden“. Politikern, die immer wieder verbal gegen sie schießen und fordern, es sollte Gespräche mit Russland geben, erteilte die Außenministerin eine Absage. Putin sei zu Gesprächen mit Kanzler Scholz nicht bereit. Die Grünen-Politikerin lud ihre Kritiker aber ein, sie auf einem ihrer zahlreichen Auslandseinsätze zu begleiten.
Ihr Handeln sei stets auch von der Frage getrieben: „Wie wäre das für uns, wenn das unsere Kinder wären?“. Letztlich definiere, so Baerbock, jeder Mensch selbst, wie er oder sie die eigene Arbeit macht. Sie habe für sich beschlossen „so viel wie möglich von der Welt mitzubekommen“, auch, um gegen Fake News und Lügen vorgehen zu können. Denn was man selbst erlebt hat, darüber kann man sprechen. In den heutigen Zeiten könne man Bildern nicht immer trauen, deswegen begebe sie sich auch in Situationen, in denen sich ihr „Herz“ umdrehen würde. Aber genau das sei ein wichtiger Motivator für ihre Arbeit, so die Außenministerin.
Weitere Themenpunkte:
Gerhard Schröder bei Einigkeitsfeier in der 1. Reihe: Annalena Baerbock gab zu, schlucken zu müssen, als sie den Altkanzler und Putin-Freund Gerhard Schröder bei den Feierlichkeiten zum 3. Oktober in Schwerin in der ersten Reihe habe sitzen sehen. Mehr wollte sie dazu aber nicht sagen. Nein zur Kanzlerkandidatin: Auf die Nachfrage Miosgas, ob sie nicht mehr als Kanzlerkandidatin antreten würde, weil es bei der letzten Wahl nicht geklappt hat, sagte Baerbock nach kurzem Zögern „ja“. Mehr gäbe es dazu aber dann auch nicht zu sagen, ihr Amt würde sie zeitlich sowieso stark genug einbinden, Wahlkampf sei da nicht drin.
Caren Miosga hatte mit ihrer Sendung, zu der neben der Außenministerin ja auch zwei ausgewiesene Nahost-Experten geladen waren, die Chance gehabt, große Teilen der Bevölkerung die schwierige Situation vor Ort näherzubringen. Auf Situationen einzugehen, die begreiflich machen, welche Szenarien möglich sein könnten. Immerhin war das ja auch Teil der Frage, unter der dieser Talk stand.
Aber stattdessen passierte, was in Politiktalkshows viel zu oft passiert: Die Experten besitzen zu viel Detailkenntnisse, denen die meisten nicht folgen können, die Politikerin, die wirklich bemüht schien, Fragen zu beantworten, wich irgendwann auf Allgemeinplätze aus. Zurück bleibt das Gefühl, dass sich nichts wirklich bewegt. Und das war sicher nicht das, was die Gäste oder auch Caren Miosga erreichen wollten.