Auch Sicht des Generalbundesanwalts soll ein 58-Jähriger eine Heimatschutzkompanie aufgebaut haben, um gewaltsam die Macht zu übernehmen. Er selbst zeichnet vor Gericht ein anderes Bild.
War er ein gefährlicher Putschplaner oder wollte er nur auf den Notfall vorbereitet sein, um anderen zu Hilfe eilen zu können? Im Stuttgarter Prozess gegen die mutmaßliche „Reichsbürger“-Terrorgruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß hat einer der Angeklagten die Vorwürfe der Anklage zurückgewiesen. „Ich wollte den Menschen in der Not helfen“, sagte der 58-Jährige.
Bei den Planungen für die Zeit nach einem möglichen „Tag X“ sei es um ärztliche Hilfe, Essen und Getränke gegangen. Man habe etwa Rathäuser und Polizeistationen besetzen wollen, um Menschen in Not eine Anlaufstelle bieten zu können.
Der Generalbundesanwalt wirft dem Mann vor, in der mutmaßlichen „Reichsbürger“-Terrorgruppe Leiter der in Baden-Württemberg angesiedelten „Heimatschutzkompanie Nr. 221“ gewesen zu sein, die für die Gebiete Freudenstadt und Tübingen verantwortlich war. Die Kompanien hätten laut Anklage nach einer potenziellen Machtübernahme der Gruppe politische „Säuberungsaktionen“ in ihrem Zuständigkeitsbereich durchführen sollen.
Die meisten Angeklagten schweigen zu den Vorwürfen
Er sollte demnach Mitglieder rekrutieren, nahm regelmäßig an Zusammenkünften teil und stellte dafür sein Gartengrundstück zur Verfügung. Die Aussage war mit Spannung erwartet worden, weil die Mehrheit der Angeklagten in Stuttgart zu den Vorwürfen bislang schwieg.
Der 58-Jährige betonte vor Gericht, dass bei Treffen der Gruppe nur über die Unterstützung und Hilfe für Menschen gesprochen worden sei. Er habe für den „Tag X“ – an dem, so seine damalige Überzeugung, eine internationale Allianz die Macht in Deutschland übernehmen werde – Listen anlegen sollen, welche Kleider, welche Fahrzeuge, welche Lagerkapazitäten dann benötigt würden, darunter auch Uniformen.
Er habe bereits Zweifel an den Äußerungen anderer Gruppenmitglieder gehabt, sagte der Angeklagte. Als dann am „Tag X“ nichts passiert sei, sei er aus allen Chatgruppen ausgetreten und habe sich darauf konzentriert, sein Leben wieder in Ordnung zu bringen. „Alles, an was man geglaubt hatte, zerplatzte wie eine Seifenblase“, sagte er vor Gericht.
Während der Corona-Pandemie abgedriftet
Im September hatte sich der Mann bereits zu seiner Lebensgeschichte geäußert und von seinem krisenhaften Lebensabschnitt rund um die Corona-Zeit berichtet und wie er in die „Querdenker“- und „Reichsbürger“-Szene abdriftete. Er gab an, nichts mehr mit der „Reichsbürger“-Ideologie zu tun zu haben. Er sei damals schlicht überfordert gewesen. „Ich habe an mir selber vorbeigelebt“, sagte er. „Heute würde mir das nicht mehr passieren.“
Die Gruppe um Prinz Reuß soll laut Anklage einen gewaltsamen Umsturz der Bundesregierung geplant und dabei bewusst Tote in Kauf genommen haben. Die Männer stehen an drei verschiedenen Orten vor Gericht: München, Frankfurt am Main und Stuttgart. Bis zum Urteil gilt für die Angeklagten die Unschuldsvermutung.
Verfahren gegen militärischen Arm der Gruppe
Bei dem Verfahren in Stuttgart geht es um den militärischen Teil der mutmaßlichen Terrorgruppe, der die geplante Machtübernahme mit Waffengewalt durchsetzen sollte. Dazu sei laut Anklage mit dem Aufbau eines deutschlandweiten Systems von 286 militärisch organisierten Verbänden, sogenannten Heimatschutzkompanien, begonnen worden.
„Reichsbürger“ erkennen die Bundesrepublik und ihre Gesetze nicht an. Die Szene ist sehr heterogen, ein Teil wird dem rechtsextremistischen Spektrum zugeordnet.