Stolpersteine sollen vor den früheren Wohnhäusern an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern. In Zeitz wurden nun alle Gedenksteine herausgerissen. Die Tat ist ungewöhnlich.
Unbekannte haben alle Stolpersteine in der Stadt Zeitz im Süden von Sachsen-Anhalt herausgerissen. Am Montag, dem Jahrestag des Hamas-Überfalls auf Israel, sei aufgefallen, dass alle zehn Steine fehlten, sagte ein Stadtsprecher. Die Stadt habe Anzeige erstattet. Nach Angaben der Polizei ermittelt der Staatsschutz und prüft eine mögliche politische Motivation. Zahlreiche Politiker und Organisationen in Sachsen-Anhalt zeigten sich angesichts der Tat erschüttert.
Die Tat sei „unverzeihlich und niemals zu entschuldigen“ schrieb der Landrat des Burgenlandkreises, Götz Ulrich (CDU), auf der Plattform X. Die Stolpersteine erinnerten an jüdische Opfer des Naziregimes. „Wer dies tut, will auch den #Holocaust aus unserer #Erinnerungskultur herausreißen.“ Das größte Menschheitsverbrechen aller Zeiten müsse immer Mahnung bleiben, wozu Menschen fähig seien. Man könne eine solche Tat nicht verstehen und müsse diese als politisch motiviert und als Angriff auf unsere Demokratie betrachten, sagte Bürgermeisterin Kathrin Weber.
Fassungslosigkeit bei Politikern und Organisationen
Es handele sich nicht um irgendeinen Diebstahl, betonte die Fraktionsvorsitzende der Linken im Landtag von Sachsen-Anhalt, Eva von Angern. Es sei „eine abscheuliche Tat, die vor Geschichtsvergessenheit nur so strotzt“. Besonders perfide sei, dass die Tat an dem Tag entdeckt wurde, an dem der traurige Jahrestag des Hamas-Überfalls auf Israel gewesen sei. Das zeige deutlich, dass Antisemitismus auch in Sachsen-Anhalt als großes Problem wahrgenommen werden müsse. Der Grünen-Landtagsabgeordnete Sebastian Striegel aus Zeitz betonte, weder lebende noch tote Jüdinnen und Juden seien vor dem grassierenden Antisemitismus in der Gesellschaft sicher.
Immer wieder kommt es zum Diebstahl von Stolpersteinen. In der Regel seien es Diebstähle von einzelnen Stolpersteinen, sagt der Künstler und Initiator der Stolpersteine, Gunter Demnig aus Hessen. Weltweit seien in 32 Ländern bisher rund 112.000 Stolpersteine verlegt worden. Gestohlen wurden laut Demnig etwa 900. Vor zwölf Jahren seien in Greifswald einmal alle Stolpersteine in der Stadt gestohlen worden, vor sieben Jahren mindestens 16 Stolpersteine in Berlin-Neukölln. Beide Aktionen hätten sich rund um das Gedenken an die Pogromnacht am 9. November ereignet. Für Demnig ist auch der zeitliche Zusammenhang zum Gedenken an das Hamas-Massaker in Israel am 7. Oktober eindeutig. Die gestohlenen Stolpersteine sollen nun schnellstmöglich ersetzt und neu verlegt werden.
Stolpersteine erinnern an Opfer der nationalsozialistischen Herrschaft
Wie die Polizei mitteilte, waren die Stolpersteine am Freitag letztmals gesichert gesehen worden. Nach ersten Erkenntnissen seien die Stolpersteine in der Nacht zum 7. Oktober herausgerissen und entwendet worden, teilte die Stadt Zeitz mit. Bisher gebe es noch keine Hinweise auf mögliche Tatverdächtige. Die Initiative Stolpersteine für Zeitz hat für die kommende Woche zu einem Spaziergang zu allen zehn herausgerissenen Stolpersteinen aufgerufen.
Stolpersteine sind kleine Gedenktafeln, die im Boden verlegt werden und an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern sollen. Auf den Steinen sind Namen, Lebensdaten und Sterbedatum der Opfer der nationalsozialistischen Herrschaft vermerkt. Vor etwa zehn Jahren wurde schon einmal einer der Stolpersteine in Zeitz gestohlen. In dieser Art als konzertierte Aktion sei die Tat in Sachsen-Anhalt so aber noch nicht vorgekommen, sagte ein Sprecher des Landeskriminalamts.
Am 7. Oktober jährte sich der Überfall der Hamas auf Israel, bei dem 1.200 Menschen in Israel getötet und etwa 250 weitere als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt wurden. Die Meldestelle Antisemitismus (Rias) hatte nach dem 7. Oktober vergangenen Jahres einen sprunghaften Anstieg von antisemitischen Vorfällen auch in Sachsen-Anhalt festgestellt. Dazu zählten unter anderem Beleidigungen, Drohungen, gezielte Sachbeschädigungen, Schmierereien und in zwei Fällen auch körperliche Angriffe. Am 9. Oktober wird in Halle (Sachsen-Anhalt) zudem der Opfer des antisemitischen und rassistischen Anschlags gedacht, bei dem ein Attentäter versuchte, die voll besetzte Synagoge zu stürmen.