Neuer SPD-Generalsekretär: Mierschs Mission Impossible: Er soll Scholz wieder zum Kanzler machen
Miese Umfragen, schlechte Stimmung: Matthias Miersch, der neue SPD-Generalsekretär, soll mal eben Partei und Kanzler retten. Kann er die Erwartungen erfüllen?

Miese Umfragen, schlechte Stimmung: Matthias Miersch, der neue SPD-Generalsekretär, soll mal eben Partei und Kanzler retten. Kann er die Erwartungen erfüllen?

Die Fotografen dürften sich schon gefreut haben, als sie mit ihren Teleobjektiven auf die Fahrstühle im Willy-Brandt-Haus zielten. Hätte ja zu gut ins Bild gepasst, wenn das neue SPD-Spitzentrio auf den ersten gemeinsamen Bildern zu sehen ist, wie es mit dem Aufzug nach unten fährt, gewissermaßen den aktuellen Umfragewerten der Sozialdemokraten entgegen. 

Aber zu früh gefreut, das Gespann nimmt am Dienstagmittag betont agil die Treppe ins gut gefüllte Atrium der Berliner Parteizentrale. In diese kleine Falle sind sie schonmal nicht getappt. Dieser Auftritt muss sitzen, das wissen alle Beteiligten. Allen voran Matthias Miersch, der den härtesten Job übernommen hat, den der Berliner Politikbetrieb gerade aufzubieten hat: SPD-Generalsekretär. 

Der 55-Jährige folgt auf Kevin Kühnert, der tags zuvor aus gesundheitlichen Gründen seinen Rücktritt angekündigt hatte. Kühnert ist ans Ende seiner Kräfte gelangt, perspektivisch wohl auch ans Ende der Geduld seiner Genossen, die mit der Performance ihres einstigen Hoffnungsträgers als Wahlkampfmanager nicht allzu glücklich waren. 

Kühnert Analyse Rücktritt 18.05

Schließlich ist es schon lange nicht mehr gut bestellt um die Genossen. Es bräuchte mittlerweile zwei Wunder, um Olaf Scholz als Kanzler zu retten. Bis zur nächsten Bundestagswahl ist es nur noch ein knappes Jahr, die miesen Umfragewerte scheinen in Beton gegossen, die Unruhe in der Partei wächst. 

Warum sollte man die strauchelnden Sozialdemokraten auf der Rechnung haben? Die Antwort liegt nicht auf der Hand, aber geben soll sie fortan Matthias Miersch, nun oberster Lautsprecher und Organisator der deutschen Sozialdemokratie. Folglich spricht der neue Hoffnungsträger im Willy-Brandt-Haus von einer „verdammt großen Verantwortung“. Seine ersten Worte als SPD-Generalsekretär klingen etwas hölzern, als hätte er sie vor dem Spiegel eingeübt – dieser Job macht offensichtlich selbst ausgebuffte Politprofis wie Miersch, den langjährigen SPD-Fraktionsvize und angesehenen Fachpolitiker, leicht nervös. 

Man sei mit Blick auf die anstehende Bundestagswahl auf der Suche nach einer Person gewesen, die „sofort einsatzfähig“ sei, sagt Lars Klingbeil, der Parteichef. Die Professionalität, Klarheit und auch einen Kompass mitbringe, um die Kampagne und das Haus zu führen. „Die SPD muss schlagkräftig sein“, bringt es Co-Chefin Saskia Esken auf den Punkt.

Dabei haben die SPD-Chefs direkt an ihn gedacht, das ist die gute Nachricht für Miersch. Die schlechte: Der Erfolgsdruck ist gigantisch, somit auch die Fallhöhe.

Der neue SPD-Generalsekretär will kein „einfacher Ja-Sager“ sein

Letztlich liegt die Enttäuschung vieler Genossen mit Amtsvorgänger Kevin Kühnert auch in den hohen Erwartungen begründet, die auf ihn projiziert wurden. Klare Rhetorik ist das eine, Organisation das andere – und in diesem Job vielleicht das wesentlich wichtigere. Als Juso-Chef scheute Kühnert keinen Konflikt, spitzte zu, prangerte an – damit trieb er die Große Koalition vor sich her, nicht zuletzt die eigene Partei. Passt perfekt auf das Profil eines Generalsekretärs. 

Eigentlich. Als er 2021 ins Amt gewählt wurde, musste Kühnert rhetorisch abrüsten, plötzlich den Kurs der Kanzlerpartei verteidigen – politische Schwerstarbeit für einen, der stets auf Angriff gespielt hatte. Zumal mit einem Bundeskanzler Olaf Scholz, der alles andere als populär ist und es seiner Partei nicht immer leicht macht.

Miersch ist erfahren genug, um auf Vergleiche mit Kühnert nicht einzusteigen, obwohl es die anwesenden Journalisten engagiert versuchen. Da sei schon allein der Altersunterschied, an dem wohl auch die moderne Medizin nichts mehr ändern könne, scherzt der 55-Jährige, nun merklich aufgetaut. Stimmt natürlich, auch insofern, dass Miersch deutlich mehr Erfahrung als sein Vorgänger mitbringt – nicht zuletzt in Führungs- und Organisationsfragen. 

Seit 2015 ist er Chef der SPD-Linken im Bundestag, seit 2017 stellvertretender Fraktionsvorsitzender und seit 2019 Vorsitzender im SPD-Bezirk Hannover. Immer wieder wurde er für die Nachfolge von Fraktionschef Rolf Mützenich gehandelt. Der nächste Karriereschritt war nur eine Frage der Zeit, hat aber doch lange auf sich warten lassen. „Vielleicht gibt es manchmal sowas wie Schicksal im Leben“, sagt Miersch, der für den Posten des Generalsekretärs schnell zugesagt habe. 

Miersch neuer Generalsekretär 20.10

Darin will er neue Akzente setzen, so viel wird am Dienstagmittag deutlich. Spannend zu beobachten wird sein, ob Parteichef Klingbeil – der eine gewichtigere Rolle bei der Wahlkampfplanung spielen will – ihm die Profilierungsfläche auch gewähren wird. Schließlich gelten beide als selbstbewusste Niedersachsen mit eigenen Köpfen. Ein anderer Niedersachse, der seine Wahlheimat jedoch nach Hamburg und Potsdam verlegt hat, kann sich jedenfalls schonmal auf etwas gefasst machen: Olaf Scholz. 

Miersch sicherte dem Kanzler zwar seine volle Unterstützung zu, stellte aber auch klar: „Ich werde nicht bequem und ein einfacher Ja-Sager sein.“ Da huscht Klingbeil ein leichtes Lächeln übers Gesicht. Auch der SPD-Chef setzt sich zunehmend vom Kanzler ab, plustert sich vor ihm auf und diktiert ihm Erwartungen der Partei, die zunehmend ungeduldig mit ihrem Frontmann wird. 

„Diese Partei muss miteinander ringen und streiten“, findet Miersch, in seinen Augen wäre es „völlig falsch, wenn wir alle stromlinienförmig auftreten.“ Auch das dürfte der SPD-Spitze grundsätzlich imponieren. Jedoch wurde Miersch nach den Konfliktlinien in der SPD gefragt – und davon gibt es mit dem „sogenannten Sicherheitspaket“ (Miersch) oder der Stationierung von US-Raketen in Deutschland gerade so einige. Da ist also noch viel zu tun, zu befrieden. 

Hinter folgendem Miersch-Satz dürften sich indes die meisten Sozialdemokraten versammeln können: „Diese Merz-CDU verkörpert so ziemlich alles, für das ich nicht stehe.“ Der Ton für den Wahlkampf, er scheint schon mal gesetzt.