Verhaltensforschung: Auch Spatzen granteln im Alter
Spatzen lieben das Leben in großen Gruppen und schwatzen unentwegt miteinander. Im Alter legen sie aber - ähnlich wie viele Menschen - wohl weniger Wert auf innige Freundschaften.

Spatzen lieben das Leben in großen Gruppen und schwatzen unentwegt miteinander. Im Alter legen sie aber – ähnlich wie viele Menschen – wohl weniger Wert auf innige Freundschaften.

Auch Spatzen können im Alter offenbar mürrischer werden. Im Alter sinke die Zahl ihrer Sozialkontakte, berichtet ein Forschungsteam im Fachjournal „Philosophical Transactions B“ der britischen Royal Society. Während die Vögel in jungen Jahren für Erfolg im Leben freundlicher sein müssten, könnten sie im Alter evolutionär betrachtet nach Herzenslust granteln, mutmaßen die Forschenden.

Bei Spatzen lassen sich junge kaum von älteren unterscheiden, da die Vögel weder graue Feder noch Falten bekommen. Den Forschenden kam ein besonderes Forschungsprojekt zugute: Auf der winzigen Insel Lundy in Großbritannien wurde seit dem Jahr 2000 das Leben jedes Haussperlings (Passer domesticus) vom Ei bis zum Tod erfasst. 

Daten zu hunderten Insel-Spatzen

Von 2013 bis 2017 wurden zudem detaillierte soziale Daten anhand der Interaktionen zwischen den Vögeln an videoüberwachten Futterstellen gesammelt. Insgesamt wurden für die Studie mehr als 1.600 Beobachtungen von 615 maximal sieben Jahre alten Spatzen ausgewertet. 

Demnach nahm die durchschnittliche Anzahl von Freunden je Vogel – definiert als Artgenossen, mit denen ein bestimmter Vogel häufig beobachtet wurde – mit fortschreitendem Alter ab. Das lag zum Teil daran, dass im Laufe der Zeit gleichaltrige Artgenossen wegstarben. Doch alte Vögel verloren nicht nur den Kontakt zu alten Freunden, sie knüpften auch weniger neue soziale Beziehungen.

Freundlichkeit nur in jungen Jahren entscheidend

Das Knüpfen von Freundschaften verschaffe jungen Vögeln einen evolutionären Vorteil, erklärte die Studienleiterin Julia Schroeder vom Imperial College London. Frühere Analysen hatten gezeigt, dass Freundlichkeit bei Spatzen – vor allem gegenüber dem anderen Geschlecht – zum Bruterfolg beiträgt. 

„Aber wenn sie sich erst einmal fortgepflanzt haben, scheint es so, als ob Unfreundlichkeit keine evolutionären „Kosten“ hat – es gibt keine Nachteile“, sagte Schroeder. „Dieser evolutionäre Mechanismus könnte auch beim Menschen zum Tragen kommen – es könnte sein, dass ältere Menschen mit zunehmendem Alter weniger geneigt sind, neue Freunde zu finden“, erklärte die Wissenschaftlerin. „In Verbindung mit einer geringeren Zahl potenzieller gleichaltriger Freunde könnte dies ein Faktor für die Einsamkeitskrise bei älteren Menschen sein.“

Freundschaften stärker auf dem Prüfstand

Studien zeigten, dass Menschen mit dem Alter wählerischer werden, mit wem sie ihre Zeit verbringen. Da soziale Interaktionen Zeit und Engagement erfordern, entschieden sie sich Menschen womöglich verstärkt für Qualität als Quantität, wie es in der Studie des Londoner Teams heißt. „Tatsächlich gibt es beim Menschen Belege dafür, dass soziale Netzwerke im frühen Erwachsenenalter einen Höhepunkt erreichen, danach folgt eine Abnahme im späteren Leben.“

Weltweit tschilpende Schwärme

Haussperlinge haben sich fast über den gesamten Globus ausgebreitet und zählen zu den am weitesten verbreiteten Vogelarten überhaupt. Allerdings gehen die Bestände vielerorts seit Jahrzehnten stark zurück, unter anderem in der EU. Die kleinen Vögel ernähren sich vorwiegend von Samen, die Jungen werden anfangs fast ausschließlich mit Insekten und deren Raupen gefüttert. 

Der Haussperling ist sehr gesellig und zieht in Schwärmen oder kleineren Trupps stets gemeinsam mit Artgenossen umher – was dank des lauten Tschilpens kaum zu überhören ist. Spatzen führen in der Regel eine lebenslange Dauerehe. Allerdings ist ihr Leben mit oft nur etwa zwei Jahren nicht sonderlich lang. Unter optimalen Bedingungen sind auch mehr als zehn Jahre möglich.