"Caren Miosga": "Es gibt keine Regierung mehr", sagt Sigmar Gabriel
Bei Caren Miosga soll es um die US-Wahl gehen – doch Ex-Außenminister Sigmar Gabriel nutzt die Gelegenheit, um nebenbei mit seiner Partei abzurechnen.

Bei Caren Miosga soll es um die US-Wahl gehen – doch Ex-Außenminister Sigmar Gabriel nutzt die Gelegenheit, um nebenbei mit seiner Partei abzurechnen.

Erst ganz am Ende wird klar, warum Caren Miosga ausgerechnet den geschassten SPD-Mann Sigmar Gabriel zu ihrer Sendung über die US-Wahl eingeladen hat. Sicher, als Außenminister traf Gabriel den damaligen US-Präsidenten Donald Trump einmal persönlich. Und ja, auch heute noch setzt sich Gabriel als Vorsitzender der „Atlantikbrücke“ dafür ein, die Beziehungen zu den USA zu vertiefen.

Aber eines kann Gabriel noch viel besser als das Phänomen Trump zu erklären: gegen die Ampel wettern.

Und so lässt es sich Moderatorin Miosga nicht nehmen, knappe fünf Minuten vor den „Tagesthemen“ thematisch noch einmal über den Atlantik zu hüpfen und Gabriel nach dem desaströsen Zustand der Ampel-Koalition zu fragen. Wie er es denn finde, dass Scholz zu seinen Wirtschaftsgipfeln nicht einmal mehr seinen Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) einlade?

Woche der Entscheidungen in der Ampel 5.54

Gabriel liefert: „Es gibt offensichtlich keine Regierung mehr“, ruft er. „Wenn es eine Regierung gäbe, die zusammenarbeitet, würde so etwas nicht passieren.“ 

Ob sich Deutschland also auf baldige Neuwahlen einstellen muss? Nein, sagt Gabriel, davor hätten alle in der Ampel Angst. Schließlich sind SPD, FDP und Grüne in den Umfragen seit der letzten Bundestagswahl im September 2021 brutal abgestürzt. „Neuwahlen, das wäre Selbstmord aus Angst vor dem Tode“, sagt der Ex-Minister. Gelächter aus dem Publikum.

Gabriel und Scholz werden keine Freunde mehr

Ohnehin hält sich Gabriel nicht zurück mit Kritik an Parteifreund Olaf Scholz. Da klafft noch eine alte Wunde: Scholz verhinderte nach der Bundestagswahl 2017, dass Gabriel erneut Außenminister wurde. Bei Miosga will Gabriel offenbar beweisen, dass er es immer noch kann. So erklärt er gerne, dass der Kanzler die einmalige Möglichkeit habe verstreichen lassen, Europa aus der Abhängigkeit zu den USA zu lösen.

Anfang des Jahres, als der US-Senat über die Verlängerung der Ukraine-Hilfen stritt, hätte Scholz eine riskante Rede halten sollen, findet Gabriel. Der Kanzler hätte sagen sollen: „Wir sehen, die (USA) machen es nicht, also bekommt die Ukraine jetzt von uns 50 oder 60 Milliarden Euro.“ Die Überweisung an Kiew hätte Scholz aus neuen Schulden finanzieren können, sagt Gabriel. 

STERN PAID 25_24 Gabriel IV 6.20

Was dazu wohl Finanzminister Christian Lindner (FDP) gesagt hätte, der die Schuldenbremse seit Jahren bis aufs Äußerste verteidigt? Egal, denn weder Moderatorin Miosga noch die USA-Experten am Tisch hinterfragen Gabriels kühnen Vorschlag. Alle am Tisch sind sich einig: Die wirtschaftliche und militärische Abhängigkeit zu den USA kann für Deutschland noch gefährlich werden – vor allem, wenn Trump gewinnt.

Politikwissenschaftlerin Cathryn Clüver Ashbrook hofft nach wie vor, dass es anders kommt. Kamala Harris habe weibliche Wähler aus allen Generationen mobilisiert, sagt sie. Die Wählerinnen würden sich beim Thema Abtreibung fragen: „Welche Rechte habe ich am eigenen Körper, am eigenen Leben?“Wahlkampf-Stratege Julius van de Laar schildert Beobachtungen aus dem Swing State Pennsylvania: „Die Preise sind explodiert, für Milch, für Sprit.“ Das helfe Trump. „Viele Leute denken deshalb, der aktuelle Kurs ist der falsche.“Mit Blick auf einen möglichen Trump-Sieg sagt Jörg Wimalasena von der Tageszeitung „Welt“: Das werde furchtbar für Deutschland. Trump werde die Zölle anheben, „Deutschland ist absolut als Feind markiert.“ Die Schuld für die Stärke Trumps gibt Wimalasena seiner Konkurrentin Kamala Harris und den Demokraten, die „seit 40 Jahren arbeiterfeindliche Politik“ machen würden.

Sigmar Gabriel: SPD mache Fehler der Demokraten nach

Dieser Analyse stimmt auch Sigmar Gabriel zu. Statt sich um die materiellen Interessen ihrer Wähler zu kümmern, würden die Demokraten „kulturellen Wahlkampf“ machen. Und schon holt er zum nächsten Seitenhieb aus: „Wenn ich mir meine Partei angucke: Die scheinen sich das abgeguckt zu haben.“

Eigentlich sollte es bei Caren Miosga um die US-Wahl am Dienstag gehen. Weil Sigmar Gabriel am Tisch saß, ging es auch viel darum, was in Deutschland unter Olaf Scholz alles schiefläuft. Am Ende sagt Gabriel noch: „Wenn die nächste Regierung so schlecht ist wie diese, dann sind wir 2029 dort, wo Frankreich heute ist“ – gefangen zwischen Links- und Rechtsextremisten. Was Gabriel nicht sagt, aber vielleicht denkt: Es wäre doch gut, wenn der nächsten Regierung mal wieder einer wie Sigmar Gabriel angehören würde.