Ernährung: Plötzlich nur noch eklig: Eine verdorbene Mahlzeit kann unser Essverhalten für immer verändern
Wer sich einmal den Magen verdorben hat, vergisst das nicht so schnell. Das vormalige Lieblingsgericht ist dann schnell nur noch zum Ekeln, der Appetit darauf verloren. Forscher vermuten, dass dies an einem Schalter im Gehirn liegt. Schnecken brachten sie auf die Idee.

Wer sich einmal den Magen verdorben hat, vergisst das nicht so schnell. Das vormalige Lieblingsgericht ist dann schnell nur noch zum Ekeln, der Appetit darauf verloren. Forscher vermuten, dass dies an einem Schalter im Gehirn liegt. Schnecken brachten sie auf die Idee.

Wer einmal ein verdorbenes Mahl zu sich genommen hat und danach Stunden des Grauens auf dem Lotus verlebte, weiß, dass eine Lebensmittelvergiftung kein Spaß ist. Danach reicht mitunter allein der Geruch desgleichen Gerichts, um die Erinnerung an das durchlebte Leid wieder aufleben zu lassen. Der Gedanke, dass sich die Pein wiederholt, kann dafür sorgen, dass wir bestimmte Speisen komplett von unserem Ernährungsplan streichen – egal, wie sehr wir sie einst liebten. Diese durch eine negative Erfahrung ausgelöste Abneigung könnte, glauben die Forscher, ganz vergleichbar zu dem sein, was sie bei Schnecken beobachteten. Ja, Schnecken.

Schnecken stehen auf Zucker. Wenn sie ihn vor den Fühlern haben, gibt es kein Vertun, er wird gefressen. Genau dieses süße Verlangen hat ein Forscherteam der Universität Sussex den Tieren mit einem Konditionierungstraining abgewöhnt. Die Ergebnisse wurden im Fachblatt „Current Biology“ veröffentlicht. Statt Zucker wollen die Schnecken jetzt nur noch Gurke, statt Zuckerflash die Vitaminbombe. Ein Effekt, der auch etwas über das menschliche Gehirn aussagen könnte. Die Wissenschaftler vermuten nämlich, dass sich bei den Schnecken eine Art neurologischer Schalter umgelegt hat. Das menschliche Gehirn arbeitet ganz ähnlich.PAID Ernährungsumstellung KW48_8.40

Schalter im Gehirn

Um den Tieren die Zuckerlust austreiben, wandten die Wissenschaftler ein sogenanntes aversives Training an. Immer wenn den Schnecken Zucker vorgesetzt wurde, klopften die Forscher ihnen leicht auf den Kopf. Ein simples Verfahren, das den Tieren aber nachhaltig die Lust aufs süße Mahl verdarb. Nach und nach weigerten sie sich sogar, Zucker zu fressen, obwohl sie hungrig waren. 

Der Fresskreislauf der Schnecke wird unter anderem durch ein Neuron im Hirn gelenkt, das sicherstellt, „dass die Schnecke nicht einfach alles und jeden frisst“, erklärt Ildiko Kemenses, die das Forschungsteam in Sussex leitet. Ist ein Nahrungsanreiz wie Zucker vorhanden, kommt es normalerweise zu einer Hemmung des Neurons, das große Futtern startet. Genau dieser Vorgang scheint sich durch das Konditionierungstraining umgekehrt zu haben. Vereinfacht gesagt: Der Fressimpuls, den das Schneckenhirn zuvor beim Anblick von Zucker gesendet hat, bleibt aus.

Grundsätzlich aber hatten die Tiere durchaus Appetit. In die Gurken, welche die Forscher ihnen alternativ vorsetzten, bissen die Schnecken beherzt. Und auch die Zuckerlust kam zurück, nachdem die Forscher die Neuronen vollständig aus den Tieren entfernt hatten. Was darauf hindeute, dass das Neuron für die Ausprägung des erlernten Verhaltens notwendig ist. Die Forscher gehen allerdings davon aus, so Kemenses, „dass dies nicht alles ist, was im Gehirn passiert“.

„Wir glauben, dass im menschlichen Gehirn ein ähnlicher Schalter stattfinden könnte, bei dem bestimmte Gruppen von Neuronen ihre Aktivität entsprechend der negativen Assoziation mit einem bestimmten Lebensmittel umkehren“, erläutert George Kemenes,  Professor für Neurowissenschaften an der Universität Sussex und ebenfalls Teil des Forschungsteams. Gemeint sind eben solche negative Assoziationen wie Lebensmittelvergiftungen. Die Wirkung des Neurons im Schneckenhirn bezüglich des Fressverhaltens sei den hemmenden Abläufen im menschlichen Gehirn sehr ähnlich, die normalerweise dafür zuständig sind, den Drang zum übermäßiges Essen auszbremsen. Er sagt: „Schnecken liefern uns ein ähnliches, wenn auch besonders einfaches Modell von der Funktionsweise des menschlichen Gehirns.“

Quelle: University of Sussex