Entscheidende Tage für die Zukunft der Ampel-Koalition – denn der Streit um den Kurs der Wirtschafts- und Haushaltspolitik droht, zu einem Bruch des Bündnisses zu führen. Vor dem Koalitionsausschuss am Mittwochabend versucht Kanzler Olaf Scholz (SPD), seine Regierung durch eine Reihe von Krisengesprächen mit Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zu retten. Doch eine Kompromisslinie zeichnete sich am Montag nicht ab.
Scholz-Sprecher Steffen Hebestreit bestätigte, dass der Kanzler bis Mittwoch mehrfach mit Lindner und Habeck zusammenkommen will. „Da passiert gerade Vieles unter Hochdruck“, betonte der Regierungssprecher. Er bekräftigte seine Aussage, dass er davon ausgehe, dass das Bündnis bis zum regulären Wahltermin im September kommenden Jahres halten wird.
Ein Ende vergangener Woche bekannt gewordenes Positionspapier Lindners hatte den Streit um die Wirtschafts- und Haushaltspolitik und Spekulationen über ein Scheitern der Koalition jedoch weiter angeheizt. Der FDP-Chef fordert darin, etwa Steuersenkungen für Unternehmen, Lockerungen der Klimavorgaben und die Reduzierung von Subventionen und Sozialleistungen. Viele der Vorschläge widersprechen dem bisherigen Kurs der Bundesregierung.
Habeck hatte Mitte Oktober seinerseits einen „Deutschlandfonds“ zur Förderung von Unternehmen mit staatlichen Mitteln vorgeschlagen – den Lindner postwendend zurückgewiesen hatte. Scholz wiederum startete eine Serie von Gesprächen mit Industrie- und Gewerkschaftsvertretern, die bis Anfang oder Mitte Dezember zu Ergebnissen führen soll. Lindner setzte darauf eigene Treffen mit dem Mittelstand an, die am Montag fortgesetzt wurden.
Der Druck auf schnelle Entscheidungen wuchs aber in den vergangenen Tagen beträchtlich. Nachdem Lindner seit Wochen einen „Herbst der Entscheidungen“ verlangt, sprach SPD-Chef Lars Klingbeil am Sonntagabend in der ARD mit Blick auf den Koalitionsausschuss bereits von einer „Woche der Entscheidungen“.
Ziel der nun angesetzten Dreier-Gespräche mit Habeck und Lindner sei es, aus den unterschiedlichen Vorschlägen „ein Gesamtkonzept“ zu erarbeiten, das für alle drei Koalitionspartner tragbar sei, sagte Hebestreit am Montagmittag. „Dem Kanzler geht es ganz klar darum, eine Stärkung der deutschen Wirtschaft und Sicherung der Arbeitsplätze zu schaffen.“
Die FDP forderte ihrerseits eine Grundsatzeinigung beim Koalitionsausschuss. Dabei müssten „sehr konkrete Dinge“ vereinbart werden, um der Wirtschaft im Deutschland Impulse zu geben, sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai. Grundlage dafür müssten Lindners Vorschläge sein.
SPD-Chefin Saskia Esken sagte jedoch, sie betrachte Lindners Papier als Teil des Wahlkampfs. Sie habe darin keinen Vorschlag gefunden, der es verdient hätte, „in dieser sozialdemokratisch geführten Regierung umgesetzt zu werden“.
Djir-Sarai ließ offen, ob die FDP die Koalition mit der SPD und den Grünen verlassen werde, sollte sich Lindner nicht durchsetzen. Das FDP-Präsidium stellte sich seinen Angaben zufolge einstimmig hinter das Konzeptpapier des Finanzministers.
Esken betonte, die SPD wolle an der Ampel-Koalition festhalten. „Wir haben überhaupt gar keine Neigung, die Koalition platzen zu lassen“, sagte sie. Vom Koalitionsausschuss erwarte sie eine Klärung, was die weitere Regierungszusammenarbeit und die Stärkung der Wirtschaft angeht. „Was wir nicht brauchen, sind Querschüsse und Gegenveranstaltungen – auch nicht aus den Reihen dieser Regierung.“
Auch Grünen-Chef Omid Nouripour betonte, seine Partei wolle keinen Bruch der Ampel-Koalition. Die Grünen gingen davon aus, dass auch „andere vertragstreu sind und wir die Arbeit, die wir hier miteinander machen, zu Ende bringen“, sagte er. Dies sei „ein Gebot des Anstands“.
Die CDU-Führung forderte die Bundesregierung „so schnell wie möglich“ zu Neuwahlen auf. „Die ‚Ampel‘ muss staatspolitische Verantwortung übernehmen und die Sache beenden“, sagte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann.
„Deutschland braucht keine Koalition, die sich auf Therapiesitzungen mit sich selbst beschäftigt“, erklärte AfD-Chefin Alice Weidel. Nötig sei „eine Regierung, die den wirtschaftlichen Absturz unseres Landes stoppt“.