Regierung: "Weglaufen gilt nicht" - SPD und FDP pokern vor Ampel-Entscheidung
Für Olaf Scholz geht es um nicht weniger als die Zukunft der Ampel-Koalition. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai schloss gar einen Kollaps nicht aus. So geht es weiter.

Für Olaf Scholz geht es um nicht weniger als die Zukunft der Ampel-Koalition. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai schloss gar einen Kollaps nicht aus. So geht es weiter.

Zum Beginn der möglicherweise entscheidenden Woche über die Zukunft der Ampel-Koalition pokern SPD und FDP hoch. Einerseits betonten führende Sozialdemokraten am Montag in Berlin, dass sie die Koalition mit Grünen und FDP fortsetzen wollen. Andererseits sagte SPD-Co-Chefin Saskia Esken, dass sie in dem Wirtschaftspapier von Finanzminister Christian Lindner keinen einzigen Punkt für die Umsetzung in einer sozialdemokratisch geführten Regierung sehe. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai schloss einen Kollaps der Ampel-Regierung nicht aus. Auf die Frage, ob mit dem Koalitionsausschuss am Mittwoch Schluss sein könnte, sagte er am Montag: „Das wird man sehen.“

Am Morgen hatten sich SPD-Generalsekretär Matthias Miersch und der Regierungssprecher noch optimistisch gezeigt, dass sich SPD, Grüne und FDP auf ein gemeinsames Konzept zur Ankurbelung der Wirtschaft einigen können. „Ich bin zuversichtlich, dass es am Ende allen Beteiligten darum geht, hier Stabilität herzustellen in diesem Land in schwierigen Zeiten“, sagte Miersch in der ARD. Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte, dass Kanzler Olaf Scholz damit rechne, dass die Koalition bis zum regulären Wahltermin Ende September 2025 halte.

Ampel Presse 8:39

Grünen-Co-Chef Omid Nouripour betonte, dass man in der Ampel weiterarbeiten wolle. „Wir wollen den Bruch nicht. Wir gehen auch davon aus, dass andere vertragstreu sind“, sagte er nach der Sitzung der Parteigremien. Dafür brauche es aber eine Ernsthaftigkeit, die der Situation gerecht werde. Nouripour verwies auf die Krise beim Autobauer VW, die Wahlen in den USA mit ungewissem Ausgang, die Überschwemmungen in Spanien und russische Erfolge im Krieg in der Ukraine.

Olaf Scholz berät mit Lindner und Habeck

Am Mittag empfing Scholz Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck sowie Finanzminister Christian Lindner im Kanzleramt. Regierungssprecher Hebestreit zufolge wollen sich die drei Spitzenpolitiker noch mehrfach vertraulich abstimmen. Die Gespräche sind Teil umfangreicher Abstimmungen in der Ampel über die Frage, ob sich die Regierung noch auf gemeinsame Maßnahmen beim Kampf gegen die Wirtschaftsschwäche Deutschlands einigen kann. Am Mittwoch treffen sich dann die Spitzen der Ampel-Parteien, -Fraktionen und -Regierung in einem Koalitionsausschuss. Dann wird auch über die Auswirkungen der US-Wahlen auf Deutschland und die deutsche Politik gesprochen.

Weil FDP-Chef Lindner eine Richtungsentscheidung über die Wirtschaftspolitik fordert, steht die Zukunft der gemeinsamen Regierung auf dem Spiel. Esken sprach wie SPD-Co Chef Lars Klingbeil zuvor von einer „Woche der Entscheidung“. Seit Tagen wird spekuliert, dass die FDP die in Umfragen sehr unbeliebte Ampel-Regierung verlassen könnte, weil sie sich dadurch eine bessere Chance erhofft, nach der Bundestagswahl wieder in den Bundestag einziehen zu können. Es gebe aber keinen „Vorsatz“, die Ampel zu verlassen, hatte Lindner vor einigen Tagen gesagt.

FDP-Generalsekretär Djir-Sarai forderte Wirtschaftsminister Habeck auf, seinen Kurs zu ändern. „Die bisherige Wirtschaftspolitik war nicht erfolgreich“, sagte er. Es brauche einen neuen Realismus in der Klimapolitik. Es sei ambitioniert genug, bis 2050 und nicht schon 2045 klimaneutral zu werden. Lindner will unter anderem den Klimafonds KTF auflösen.

Esken machte nun aber klar, dass die SPD nicht zu einer grundsätzlichen Umkehr bereit sei. Man befinde sich nicht wie zu Beginn der Legislaturperiode in Sondierungsgesprächen, betonte sie. Esken wies etwa die Forderung nach einer Abschaffung des Solidaritätsbeitrages und die Streichung der Subventionen für das Halbleiterwerk von Intel in Magdeburg zurück. Lindners 18-seitiges Papier sei eher ein Wahlkampfpapier als Grundlage für Gespräche in der Koalition.

Was landet am Mittwoch im Kabinett?

Die Bundesregierung will am Mittwoch eigentlich umfangreiche Gesetzesprojekte im Kabinett beschließen. Allerdings dürften Projekte wie das Tariftreuegesetz nicht auf der Tagesordnung stehen, weil Lindner sie in seinem Papier als problematisch für das Ziel genannt hatte, Bürokratie abzubauen. Regierungssprecher Hebestreit wies darauf hin, dass sich die Regierung „in sehr naher“ Zukunft über die Anhebung der Beitragsbemessungsgrenzen in den Sozialversicherungen einigen werde.

Sowohl Hebestreit als auch der Sprecher von Finanzminister Lindner, Fabian Leber, betonten, dass es keine Pläne für eine Verschiebung der Bereinigungssitzung im Bundestag über den Etat 2025 gebe – verwiesen aber auf die Zuständigkeit des Parlaments.

Mahnung der SPD, Unsicherheit der FDP

SPD-Generalsekretär Miersch appellierte an den Zusammenhalt der Ampel-Parteien. „Dass wir die Wirtschaft stützen wollen und dass wir Investitionen anreizen wollen, dass wir Bürokratie abbauen wollen – da haben wir genau die identischen Ziele“, betonte er. „Alle müssen sich am Riemen reißen. Weglaufen gilt nicht.“ Er halte nichts davon, ein irgendwie geartetes Ende der Koalition an die Wand zu malen. „Wir haben eine Verantwortung, eine verdammte Verantwortung in diesen schwierigen Zeiten.“ Dies hatte auch Verkehrsminister Volker Wissing betont. FDP-Generalsekretär Djir-Sarai wies darauf hin, dass sich das Parteipräsidium einstimmig hinter das Lindner-Papier gestellt habe – also auch der Verkehrsminister. Die Union hatte dagegen mehrfach vorgezogene Neuwahlen gefordert, weil sich die Ampel nicht mehr auf eine klare Politik einigen könne.

Ampel-Krisentreffen.   17.15

Wichtigste Knackpunkte sind in den kommenden Tagen und Wochen die Verabschiedung des Haushalts 2025 mit einem immer noch bestehenden Finanzierungsloch von mehreren Milliarden Euro, des Rentenpakets 2 und des 49 Punkte umfassenden Wachstumspakets der Regierung. Die derzeitige Diskussion kreist aber vor allem um eine zusätzliche Ankurbelung der lahmenden Wirtschaft. Dazu hatten sowohl der SPD-Parteivorstand, Habeck als auch Lindner in den vergangenen Wochen Vorschläge vorgelegt. Diese widersprechen sich allerdings. Während Habeck ein großes, schuldenfinanziertes Investitionsprogramm mit steuerlichen Prämien für Investitionen vorschlägt, möchte Lindner etwa den Solidaritätszuschlag ganz abschaffen und die Zielmarke für ein klimaneutrales Deutschland von 2045 auf 2050 verschieben. Scholz hatte einen Bundeszuschuss für die Deckelung der Netzentgelte vorgeschlagen, um Firmen zu entlasten, und plant einen „Pakt für Industrie“.