Mit einer rebellischen Idee sorgen einige Brauhäuser für Aufruhr. Sie mischen dem Gerstensaft eine Handvoll Hanfblüten bei und nennen es Hanfbier. Trend oder Schnapsidee?
Quizfrage: Was haben Hopfen und Cannabis gemeinsam? Sie sind tatsächlich miteinander verwandt. Beide gehören botanisch zur Familie der Hanfgewächse. Im Grunde wird das Bier hierzulande also schon seit jeher (also seit 1516) mit Teilen einer Hanfpflanze gebraut. Ganz konkret verarbeitet man die weiblichen Blüten des Echten Hopfen. Dazu Malz, etwas Hefe und handgekuscheltes Quellwasser – fertig ist das klassische Pils.
In den vergangenen Jahren ist die Bierlandschaft nicht nur diverser, sondern auch ziemlich unübersichtlich geworden. Das traditionelle und vor allem im Norden beliebte Pils und das südlich der Elbe bevorzugte und eher süffige Helle haben es schwer. In einem Meer aus IPA, Craft-Kreationen, Kirsch-Porter, Glühbier und anderen Gerstensäften müssen sich die Klassiker behaupten. Und nun das: In einem Labor der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften experimentiert eine Forscherin mit Hanf und Bier. Ihr Ziel: Den Hopfen durch Hanf zu ersetzen, ohne dabei den gewohnten, leicht bitteren Hopfengeschmack im Bier zu eliminieren. Moment mal, mag da der eine oder andere denken: Mit Hanf versetztes Bier gibt’s doch schon längst. Das stimmt. Allerdings mischten die Hersteller in diesem Fall die Hanfblüten dem Hopfen vor oder während der Reifephase bei. Was dazu führt, dass das Hanfbier eine typische Hanfnote auf der Zunge oder am Gaumen hinterlässt. Genau das will die Schweizer Wissenschaftlerin eben nicht.
Die Eidgenossen experimentieren aus zwei Gründen mit Hanfblüten und Bier. Zum einen importieren sie beinahe den kompletten Hopfenbedarf des Landes aus dem Ausland. Der spannendere Grund ist aber ein anderer: Die Hanfpflanze ist wärmeresistenter als Hopfen und damit offenbar auch widerstandsfähiger gegen einige Effekte des Klimawandels. Nun eignet sich leider auch beim Hanf nicht jede Sorte, um daraus Bier zu brauen. Jedenfalls nicht solches, das auch wie ein klassisches Bier schmeckt. Wie das Onlineportal „laborpraxis.de“ berichtet, analysierte man im Labor in Zürich drei Jahre lang verschiedene Hanfsorten und hat mittlerweile zwei geeignete Sorten identifiziert. Die im Labor gebrauten Testbiere sollen auch schon verkostet worden sein. Bis zur Marktreife dürfte es aber noch ein Weilchen dauern. Bis dahin wolle man weiter am Braurezept feilen und nach einer Brauerei suchen, die in das Geschäft mit dem Hanfbier einsteigt.
Bis dahin bleiben allen, die Hanfaromen im Bier statt in der Tüte konsumieren wollen, die sogenannten Hanf-Biermischgetränke. Das sind besagte, mit Hanfblüten versetzte Biere, die in Deutschland nicht als Hanfbier bezeichnet und verkauft werden dürfen. Insgesamt ist der rechtliche Rahmen rund um hanfhaltige Getränke hierzulande aber sehr schwammig. Eine einheitliche Regelung zu Herstellung, Vertrieb und den Einklang mit dem heiligen Reinheitsgebot gibt es nicht. Mit anderen Worten: Erlaubt ist, was gefällt und sich verkauft. So hat die traditionsreiche Sternburg-Brauerei aus Leipzig seit Neuestem ein Hanf-Radler im Sortiment. Auch Aldi-Nord hat eine Bier-Hanf-Mische im Angebot. Das bekannte Schultenbräu gibt es jetzt auch als Biermix mit Hanfextrakt. Hanfbier, das auch so heißen darf, also mit Hanfblüten verfeinerter Gerstensaft, findet man aktuell vor allem in Österreich, wo sich mehrere Brauereien an diesem Experiment versuchen. Hier werden dem eigentlich Bier während der Reife Bio-Hanfblüten beigemischt. Sie sollen dem Bier eine milde und leicht süßlich Note verleihen.
Noch einmal kurz zurück in die Schweiz: Die sieben Testpersonen, die das mit Hopfen angereicherte Hanfbier im Dienste der Wissenschaft schon einmal probieren durften, stellten laut laborpraxis.de keinen Unterschied zu einem Lagerbier fest, das als Vergleichsgetränk verkostet wurde. Geschmack und Bitterkeit wurden gleich bewertet. Und Hanf schmeckten die Testtrinker bei der Blindverkostung auch nicht heraus.
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