„Diese Koalition wird auch keine Liebesbeziehung mehr werden“, sagt der Wirtschaftsminister. Platzen lassen will er sie nicht. Er kommt dem Finanzminister entgegen. Doch auch andere sollen liefern.
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sieht in der Krise der Koalition nun SPD und FDP am Zug, um ein vorzeitiges Aus des Bündnisses abzuwenden. Habeck hatte sich am Montag bereiterklärt, frei werdende Fördermilliarden zum Stopfen von Haushaltslöchern zu verwenden. „Nun erwarte ich allerdings auch, dass die anderen auch im eigenen Bereich mal Vorschläge machen und nicht immer nur – und das ist ja das schlechteste Spiel – immer den anderen sagen, was sie von ihnen erwarten“, sagte Habeck in den ARD-„Tagesthemen“. Er habe jetzt vorgelegt. Am Morgen kamen der Grünen-Politiker, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) im Kanzleramt zusammen. Nach rund zwei Stunden war das Treffen beendet.
Die Koalition streitet grundlegend über die Wirtschaftspolitik. Unabgestimmte Gipfeltreffen und unterschiedliche Papiere hatten den Konflikt zuletzt befeuert. Konkret müssen vor der entscheidenden Sitzung des Haushaltsausschusses zum Etat 2025 am 14. November auch noch Lücken geschlossen werden. Seit Tagen lädt Scholz zu Treffen in kleinen Runden, in denen es um die Zukunft der Koalition geht. Am Mittwoch tritt mit dem Koalitionsausschuss dann eine größere Runde zusammen, der auch die Partei- und Fraktionschefs von SPD, Grünen und FDP angehören.
Koalition wird „keine Liebesbeziehung“ mehr
Habeck rief angesichts der US-Wahl und des Ukraine-Kriegs zum Durchhalten auf. „Dies ist die schlechteste Zeit, eine Regierung platzen zu lassen und eine Leichtfertigkeit verbietet sich dort“, sagte er in der ARD. Die Ampel habe es immer wieder hinbekommen, in schwierigen Situationen auch Beschlüsse zu fassen. Aber: „Diese Koalition wird auch keine Liebesbeziehung mehr werden.“
Habeck sagte, er halte eine Einigung über den Bundeshaushalt 2025 für möglich. Die freigewordenen Intel-Milliarden, die eigentlich im Klima- und Transformationsfonds vorgesehen seien, könnten einen Beitrag leisten, um die Haushaltslücke zu reduzieren. Das ist ein Entgegenkommen in Richtung Lindner. Der Intel-Konzern hatte den Bau eines Werks in Magdeburg verschoben, den Deutschland fördern wollte. Vorgesehen waren milliardenschwere staatliche Fördermittel.
Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge mahnte die Koalitionäre ebenfalls, jeder müsse sich nun bewegen, man müsse mehr miteinander reden. Habeck habe hierbei vorgelegt, sagte Dröge im ARD-„Morgenmagazin“. Hart ging Dröge mit dem Papier für eine „Wirtschaftswende“ von Lindner ins Gericht. Dies sei eine „gezielte Provokation“ und ein „hartes Papier“ mit Sicht der FDP gewesen. Die kritisierte zugleich die Absage Lindners, die Schuldenbremse zu lockern. Diese habe sich zu einer Wachstumsbremse entwickelt.
FDP-Fraktionschef Christian Dürr spielte den Ball zurück. Dürr sagte der Deutschen Presse-Agentur, es sei folgerichtig, dass die Intel-Milliarden zurück in den Haushalt gingen. „Ich bin froh, dass auch Robert Habeck zu dieser Einsicht gekommen ist. Vom Wirtschaftsminister würde ich mir in dieser Situation aber substanzielle Ideen zur Stärkung unseres Wachstums wünschen. Wir brauchen eine echte Wirtschaftswende.“ Finanzminister Christian Lindner (FDP) habe dazu Vorschläge gemacht.
Lindner: Habeck hat anderen Zugang zu wirtschaftspolitischen Fragen
Lindner betonte in einer am Montag veröffentlichten Folge des Podcasts „Hotel Matze“, es gehe in den kommenden Wochen um „Richtungsentscheidungen“ und „Klärungen in der Sache“. Das Podcast-Interview wurde am Freitag aufgezeichnet, bevor Lindners Papier publik wurde. „Ich habe mit Robert Habeck menschlich kein Problem, aber er hat einen vollkommen anderen Zugang zu wirtschaftspolitischen Fragen“, erklärte der Finanzminister.
Weiter sagte er über seinen Kabinettskollegen: „Er ist ein fleißiger Mann, er hat seine Überzeugungen und man kann gut mit ihm sprechen und auch anregende Gespräche führen, aber er hat vollkommen anderen Zugang. Es ist nicht ergänzend, sondern es ist ein Gegensatz.“ Er und Habeck hätten „angenehme Gespräche über Unterschiede, die wir überbrücken müssen“.
Derweil erwartet der Kanzler, dass die Ampel-Koalition ihre Arbeit fortsetzt. „Wir haben dafür eine Grundlage. Das ist der Koalitionsvertrag. Der ist verhandelt“, machte Scholz bereits am Montag deutlich. Zudem habe das Kabinett im Sommer einen Entwurf für den Bundeshaushalt auf den Weg gebracht. Dem Bundestag sollten dazu nun noch „ein paar zusätzliche Vorschläge“ gemacht werden. Es gehe in der aktuellen Zeit um Pragmatismus und nicht um Ideologie.
Scholz selbst sieht sich trotz der Krise noch als Kapitän der Ampel-Regierung. Bei einem Sportempfang der SPD-Bundestagsfraktion antwortete er auf die Frage, ob er sich eher als Schiedsrichter oder Trainer sehe: „Ich bin ja noch auf dem Platz, insofern wäre Kapitän wahrscheinlich passender als eine dieser beiden Alternativen. Ich spiele mit und versuche schon, dass die Mannschaft Tore schießt.“