US-Wahl 2024: Was bedeuten die Umfragen zu den US-Präsidentschaftswahlen?
Ständig erblicken neue US-Wahl-Umfragen das Licht der Nachrichtenwelt. Wie aussagekräftig sind sie eigentlich? Ein kleiner Führer durch den Demoskopie-Dschungel.

Ständig erblicken neue US-Wahl-Umfragen das Licht der Nachrichtenwelt. Wie aussagekräftig sind sie eigentlich? Ein kleiner Führer durch den Demoskopie-Dschungel.

Sagen die aktuellen US-Wahl Umfragen etwas über das Wahlergebnis vom 5. November aus? Und wie steht es eigentlich um die zeitgleich stattfindenden Wahlen für den Senat und das Repräsentantenhaus? Ein Überblick.

Der Haken mit den Wahlumfragen

Der Ausgang der Abstimmung ist völlig offen. Obwohl Kamala Harris nach Bidens Rückzug kontinuierlich an Beliebtheit gewonnen und sogar den Republikaner Trump überholt hat, ist der Vorsprung zu gering, um daraus eine Art Prognose abzuleiten. Denn ein paar Haken haben die für Harris grundsätzlich guten Umfrageergebnisse:

Die Fehlermarge: Umfragen enthalten, wie alle Messungen, einen Prozentsatz an Ungenauigkeiten und/oder Stichprobenfehlern. Auch antworten die Leute nicht immer wahrheitsgemäß. Diese Fehlermarge liegt etwa zwischen drei und fünf Prozent, je nach Anzahl der Befragten und Umfragemethode.

Alle aktuellen Entwicklungen finden Sie in unserem Liveticker zur US-Wahl 2024.

Daten-Grafiken-US-Wahl 07.3 

Das bedeutet: Wenn eine Umfrage zu dem Ergebnis kommt, Kamala Harris liege bei 47 Prozent, dann müsste man eigentlich sagen, sie kommt auf etwa 46 bis 48 Prozent. Genauer weiß man es nicht. Und wenn Donald Trump auf 48 Prozent kommt, dann liegt sein Wert grob zwischen etwa 47 und 49 Prozent. Erst wenn der Unterschied zwischen Kamala Harris und Donald Trump bei etwa drei Prozentpunkten läge, ergäbe das also eine wirklich belastbare Aussage. Aktuell aber liegen die beiden im Großteil der Befragungen näher zusammen.

Donald Trump – sein Leben in Bildern

Umfragen sind keine Prognosen: 2016 gab es zwei große Wahl-Überraschungen: als die Briten im Sommer für den Brexit stimmten und die Amerikaner im Herbst Donald Trump zum US-Präsidenten wählten – dabei hatten die Umfragen in beiden Fällen ein anderes Bild gemalt. Das Problem war damals nicht nur die Qualität der Zahlen, sondern mehr noch die Interpretation durch Journalisten und Demoskopen. Tatsächlich waren beide Abstimmungen so knapp und lagen innerhalb der Fehlermarge, dass jede Prognose anhand von Umfragen eigentlich unmöglich war. 

Anderes Beispiel: Bei der vergangenen US-Präsidentschaftswahl vor vier Jahren lag Joe Biden in den Umfragen wenige Tage vor der Abstimmung rund acht Prozentpunkte vor Trump. Am Ende gewann er mit gerade einmal fünf Prozentpunkten Vorsprung. Der Unterschied von rund drei Prozentpunkten entspricht ungefähr dem komfortabelsten Polster, das Harris derzeit vor Trump hat.

Umfragen sind nicht gleich Umfragen: Es gibt zahllose Möglichkeiten, die Meinungen von Menschen einzuholen: per Telefon oder persönlich, als Online-Abstimmung oder über Fragebögen. Man kann auch Noch-Nicht-Wähler fragen oder Parteimitglieder, Frauen, Männer, Alte, Junge, nur schwarze Akademiker oder nur asiatischstämmige Supermarktangestellte. Die Ergebnisse werden immer unterschiedlich ausfallen. 

Manchmal hängt es von der Fragestellung ab: Ist sie offen wie: „Wen sähen Sie lieber im Weißen Haus?“ Oder geschlossen wie: „Würden Sie Robert F. Kennedy Jr. zum Präsidenten wählen?“. Oft haben Meinungsforscher auch politische Lieblinge. Beim Institut Rasmussen Reports aus New Jersey etwa liegt Donald Trump immer klar über dem Umfragenschnitt. Andere Demoskopen wiederum bevorzugen die Demokraten. Die Seite 538.com von Demoskopie-Star Nate Silver hat daher ein Ranking der Umfrageinstitute nach Vorhersagequalität und Transparenz erstellt. Und natürlich kann auch noch jede Menge bis zur Wahl passieren.

Das Leben der Kamala Harris in Bildern 6.22

US-Wahl entscheidet sich in einzelnen Bundesstaaten

Ein nicht kleiner Umfragenteil ist ein Schönheitswettbewerb: Wer gefällt den Amerikanern am besten? Das spiegelt zwar die Stimmung im Land wider, allerdings nicht die Art, wie das Land wählt

Das US-Wahlsystem: Entscheidend ist, wie viele Wahlleute-Stimmen die Kandidaten über die einzelnen Bundesstaaten bekommen. Die meisten haben sich im Zweiparteiensystem aufgeteilt: Kalifornien etwa wählt seit 1988 demokratisch, Südstaaten wie Alabama immer konservativ. Deren Wahlleutestimmen sind also quasi bereits vergeben: Wenn hier Harris in Kalifornien und Trump in Alabama mehr Stimmen holen als die eigenen Kandidaten in den Jahren zuvor, hat das keinen Einfluss auf den Ausgang der Wahl. Anders in den umkämpften Swingstates. Sie lassen sich nicht traditionell einer der beiden Parteien zuschlagen, ihr Wahlverhalten kann daher über das Weiße Haus entscheiden. Wenn Sie einen genauen Überblick über die Swing States zur US-Wahl 2024 erhalten möchten, empfehlen wir unseren Artikel dazu.

Wie viele Wahlleutestimmen die Bundesstaaten zur Verfügung haben, hängt davon ab, wie viele Menschen dort leben. Die Wahlleute werden dabei in fast allen Staaten nach dem Prinzip „The winner takes it all“ vergeben. Das heißt, auch wenn ein Kandidat nur 51 Prozent der Wählerstimmen erhält, werden ihm alle Wahlleute zugeschlagen und 49 Prozent der Wählerstimmen fallen praktisch weg. Deshalb kann man im ganzen Land zusammengerechnet die meisten Stimmen bekommen – und trotzdem die Wahl verlieren. Einen Überblick über das US-Wahlkollegium geben wir Ihnen in unserem Artikel.

Donald Trump Wahlkampf Quiz 1240 

In diesem Jahr dürften Wisconsin, Michigan, Georgia, Nevada und Arizona entscheidend werden. Vor allem aber Pennsylvania. Wer die „wichtigste Wahl in der Geschichte der Vereinigten Staaten“ (Donald Trump), die „existenziellste und wichtigste Wahl unseres Lebens“ (Kamala Harris) gewinnen will, muss dort die meisten Stimmen holen. In zwei dieser sechs Staaten liegt Harris vor Trump, in Arizona führt der Republikaner und in Georgia, Nevada und Pennsylvania sind beide gleichauf.

Wird mit oder gegen den Kongress regiert?

Offen ist die Frage, ob der Wahlsieger dann mit oder gegen den US-Kongress regieren muss. Denn es werden gleichzeitig auch Abgeordnete für beide Kammern des politischen Systems der USA gewählt.

Repräsentantenhaus: Diese Wahl wirkt oft unspektakulär, hat aber gravierende Auswirkungen. Die Kongresskammer an sich ist vergleichbar mit dem deutschen Bundestag, wenngleich weniger mächtig. Dennoch kann ein US-Präsident oder eine US-Präsidentin ohne eine Mehrheit nur eingeschränkt regieren. Die Abgeordneten, die alle zwei Jahre neu gewählt werden, können die Regierungsvorhaben zumindest empfindlich verzögern. 

Das geschieht auch zurzeit, denn die Republikaner sind mit 220 der insgesamt 435 Sitze die größte der beiden Fraktionen. Gewählt werden die Parlamentarier, wie in Deutschland auch, in Wahlkreisen. Nach aktuellen Hochrechnungen haben die Konservativen gute Chancen, ihre Mehrheit zu verteidigen.

US-Wahl 2024: Ablauf, Termin und die Kandidaten – aktuelle Infos

Senat: Ohne die zweite, obere Kongresskammer geht in der US-Politik nichts. Mehr noch als das Repräsentantenhaus kontrollieren die Senatorinnen und Senatoren den Staatschef im Oval Office. Alle Regierungsmitglieder, die obersten Richter und Richterinnen sowie internationale Verträge bedürfen der Zustimmung dieser Kammer. 

Alle zwei Jahre wird rund ein Drittel der 100 Sitze neu gewählt. Jeder Bundesstaat entsendet immer zwei Senatoren und Senatorinnen. Aktuell steht es unentschieden zwischen Demokraten und Republikanern. In Fall eines Patts bei Abstimmungen hat die US-Vizepräsidentin die entscheidende Stimme – derzeit also Kamala Harris. 34 Sitze werden dieses Jahr neu gewählt, nach dem Stand der Umfragen, bleibt es bei einem Patt, allerdings mit leichter Tendenz zu einer republikanischen Mehrheit.

Quellen:RealClearPolitics, 538.com, AP, „New York Times„, CNN, Rasmussen Reports, Axios, DPA, AFP, Reuters, 270towin