Kommunaler Spitzenverband: Städte und Gemeinden: Stopp bei neuen Leistungsgesetzen
Der Städte- und Gemeindetag in MV vertritt über 600 Kommunen. Diese haben vielerorts Finanzprobleme. Auch Zensus-Daten aus 2022 sorgen für Unmut.

Der Städte- und Gemeindetag in MV vertritt über 600 Kommunen. Diese haben vielerorts Finanzprobleme. Auch Zensus-Daten aus 2022 sorgen für Unmut.

Die Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern ächzen unter gestiegenen Kosten und wollen zusätzliche Aufgaben nur bei gesicherter Finanzierung übernehmen. Der Vorsitzende des Städte- und Gemeindetages, Thomas Beyer (SPD), kritisierte neben der überbordenden Bürokratie vor allem Pflichtaufgaben, die vom Land oder Bund auf Gemeinden abgewälzt würden. „Mit Verlaub, wir werden deutlicher denn je sagen: „Stopp. Keine neuen Leistungsgesetze, oder wenn, dann nur, wenn das Geld mitgeliefert wird““, so Beyer, der bei einer Mitgliederversammlung im Amt bestätigt wurde. 

Der 64-Jährige erhielt in Güstrow 160 von 306 abgegeben Stimmen und setzte sich gegen die beiden Mitbewerber, Demmins Bürgermeister Thomas Witkowski (CDU) und den AfD-Politiker Robert Schnell, durch. Beyer wird das Amt für zwei Jahre ausüben, da dann seine Amtszeit als Bürgermeister von Wismar endet. Danach wird ein neuer Vorsitzender bestimmt. 

Zensus 2022 sorgt für Ärger

In einem gemeinsamen Positionspapier mit dem Landkreistag verwies der Städte- und Gemeindetag auf Steigerungen bei Zinsen, Sachkosten und Tarifen und die explodierenden kommunalen Sozial- und Jugendhilfeausgaben. Für deutlichen Unmut sorgten in Güstrow auch neue Zensus-Daten aus dem Jahr 2022, die zahlreichen Kommunen in MV aus ihrer Sicht zu gering bemessene Einwohnerzahlen bescheinigten.

„Wir können nicht auf Grundlage von solchen teilweise fragwürdigen statistischen Hochrechnungen für die nächsten Jahrzehnte planen. Deswegen werden diese Zahlen sicher durch die Gerichte überprüft werden müssen“, sagte Beyer. Der Städte- und Gemeindetag werde Kommunen zur Seite stehen, die rechtliche Schritte einleiten wollten. Ministerpräsidentin Schwesig kündigte eine Bundesratsinitiative von Innenminister Christian Pegel (SPD) an, durch die Kommunen die Möglichkeit bekommen sollten, ihre Daten abzugleichen. 

Nach Angaben der beiden Verwaltungsgerichte Greifswald und Schwerin beläuft sich die Anzahl der klagenden Kommunen bereits auf etwa 100. In Greifswald lagen laut Sprecher des dortigen Gerichts am Dienstag etwa 80 Klagen vor. Seitdem seien weitere hinzugekommen. Für den westlichen Landesteil verzeichnete das Verwaltungsgericht Schwerin nach eigenen Angaben Anfang der Woche rund 20 Klagen. Zuvor hatte der NDR berichtet.

Schwesig betonte, Land und Kommunen hätten in den letzten Jahren gemeinsam viel auf den Weg gebracht. Seit 2018 seien die Finanzausgleichsleistungen für die Kommunen von 1,1 auf etwa 1,5 Milliarden Euro pro Jahr gestiegen. Das habe es den Kommunen ermöglicht, ihre Investitionen um mehr als 50 Prozent zu erhöhen: von 324 auf 487 Euro pro Einwohner.

Respekt für Witt

Schwesig warnte vor den rund 400 Delegierten der Mitgliederversammlung zugleich vor der Gefahr einer Zunahme von Hass und Hetze gegen Kommunalpolitiker. Wenn aus solchen Gründen ein anerkannter Oberbürgermeister wie in Neubrandenburg seinen Rücktritt erkläre, schade das allen und der Demokratie. Amtsinhaber Silvio Witt (parteilos) habe eine gute Arbeit für die drittgrößte Stadt in MV geleistet. Die Entscheidung für den Rücktritt tue weh, sei aber zu respektieren. 

Auch der Vorsitzende des Städte- und Gemeindetages, Wismars Bürgermeister Thomas Beyer (SPD), zollte Witt Respekt. „Auch wenn deine Entscheidung wirklich bitter ist, und ich es gerne anders gesehen hätte, danke ich dir für deine klare Haltung“, so Beyer. Witt hatte eigentlich bei der Mitgliederversammlung des Städte- und Gemeindetages für einen Stellvertreterposten im Vorstand kandidieren wollen, was er aber aufgrund seines für Mai 2025 angekündigten Rückzugs nicht tat.

Hintergrund des Rücktritts war auch ein Streit über eine Regenbogenfahne. In Neubrandenburg waren vor dem dortigen Bahnhof aufgehängte Regenbogenfahnen wiederholt gestohlen und teils durch Hakenkreuz- oder andere NS-Fahnen ersetzt worden. Im Oktober verbot die Stadtvertretung das Hissen der Regenbogenfahne am Bahnhof per Beschluss. Witt, der offen homosexuell lebt und in der Vergangenheit etwa als Schirmherr von Christopher-Street-Day-Veranstaltungen aufgetreten war, hatte kurz danach seinen Rücktritt angekündigt.