Meinung: Wenn andere Dinge wichtiger sind als die Demokratie
Viele fragen sich nach der US-Wahl: Wie kann ein Mensch wie Donald Trump gewählt werden? Die Antworten sind simpel – und ein gutes Stück nachvollziehbar, findet unsere Autorin.

Viele fragen sich nach der US-Wahl: Wie kann ein Mensch wie Donald Trump gewählt werden? Die Antworten sind simpel – und ein gutes Stück nachvollziehbar, findet unsere Autorin.

So verrückt die Wiederwahl von Trump erscheint, so verrückt wirken auch seine Wähler. Zu offensichtlich scheint schließlich die Gefahr, die mit Trump als Präsident potenziell über Amerika hereinbricht: das Ende der Demokratie! Wie können da so viele Menschen für Donald Trump stimmen? Das fragen sich viele Deutsche. „Nicht Wertefragen haben diese Wahl entschieden, sondern die Sorge um den eigenen Geldbeutel. Das mag irre erscheinen“, schreibt stern-Chefredakteur Gregor Peter Schmitz in seinem Kommentar. Aber es ist nicht „irre“, dass die nüchterne Sorge um den eigenen Geldbeutel diese Wahl bestimmt hat. Es ist sehr verständlich. 

PAID IV Trump Wähler erklärt 20:35

Man müsse die „Demokratie schützen“, hieß es in Harris’ Wahlkampagne – damit wollte sie Menschen überzeugen. Das Problem: Demokratie klingt abstrakt, schwer greifbar, irgendwie weit entfernt. „Die Wirtschaft“ nicht. Miete unbezahlbar geworden? Das Benzin an der Tankstelle, der Einkauf im Supermarkt, das Abendessen im Restaurant immer noch viel teurer als früher? Das spüren Menschen, jeden Tag. So nah fühlt sich dieser Mangel an.  

Das Problem ist nicht, dass Menschen bei dieser Wahl zuallererst nach ihrem Geldbeutel entschieden haben. Das Problem ist, dass die Mehrheit der Amerikaner wirtschaftlichen Erfolg mit Donald Trump verknüpft. Und das, obwohl sich die US-Wirtschaft unter Joe Biden in den letzten Jahren erholt hat, dank seiner milliardenschweren Hilfspakete. Nur: Viele Amerikaner nehmen diesen Aufschwung nicht wahr.

Eine kleine Auswahl an Sätzen, die ich in der vergangenen Woche hier im Mittleren Westen der USA gehört habe, teilweise sogar unter Harris-Wählern: 

„Trump ist ein Friedenspräsident. Er fängt keine neuen Kriege an, mischt sich militärisch nicht unnötig in der Welt ein. Stattdessen fließt das Geld in unser Land. Das brauchen wir dringend.“ 

„Es heißt, Joe Biden hätte die Wirtschaft angekurbelt. Aber das spüre ich nicht.“

„Wir können es uns nicht mehr leisten, die Kriege in der Welt zu bezahlen. Wir brauchen unser Geld in unserem Land. Die Globalisierung ist längst gescheitert.“ 

Demokratie bei US-Wahl ist ein Luxus

Für die Demokratie gilt dasselbe wie für das Klima: mit dem Appell, sie zu beschützen, gewinnt man keine Wahlen. Leider. Diese Begriffe sind einfach zu groß, ja, zu wolkig, um viele Wähler zu überzeugen. Denn: Demokratie und die Sorge um sie muss man sich leisten (können).

STERN PAID 33_24 J.D. Vance 11.49

Gesundheitsversorgung, Bildung — das sind wahnsinnig teure Herausforderungen, die Amerikaner privat bezahlen müssen. Wenn sie aber den Eindruck haben, nicht mal mehr ihren Alltag finanzieren zu können, geschweige denn sich etwas aufbauen zu können, wird es wirklich existenziell. Natürlich sorgen sie sich da mehr um ihren leeren Geldbeutel als um die weit entfernte, selbstverständlich scheinende Demokratie. Diese Erkenntnis sollte uns auch in Deutschland eine Warnung sein.