Prozess: Jahrelange Clan-Fehde vor Gericht
Es geht im Prozess um eine Verfolgungsjagd und Schüsse. Aber die Geschehnisse haben eine Vorgeschichte. Zum Prozessbeginn gibt es eine Überraschung.

Es geht im Prozess um eine Verfolgungsjagd und Schüsse. Aber die Geschehnisse haben eine Vorgeschichte. Zum Prozessbeginn gibt es eine Überraschung.

Eine Fehde zwischen zwei Clans beschäftigt das Frankfurter Landgericht. Konkret geht es um eine Verfolgungsjagd und Schüsse aus einem Auto – diese haben aber eine Vorgeschichte, wie die Staatsanwaltschaft zu Prozessbeginn darlegte: eine seit Jahren andauernde Fehde zwischen einer „clanartigen Großfamilie“ und einer konkurrierenden Gruppierung im Zusammenhang mit illegalen Pokerrunden.

Die Fehde reicht laut Staatsanwaltschaft zurück bis 2021, als Angehörige der Konkurrenzgruppe einen Kiosk der Großfamilie im Allerheiligenviertel überfielen. Danach sei es zu „zahlreichen weiteren wechselseitigen Angriffen“ gekommen. Kurz vor den Ereignissen, die nun verhandelt werden, gab es einen bewaffneten Überfall auf einen weiteren Kiosk und einen Brandanschlag auf ein Lebensmittelgeschäft der Familie.

„Selbstjustiz und Rache“

Am Abend dieses Tages im Mai 2023 trafen dann Angehörige der beiden Gruppen aufeinander – sie saßen jeweils in Autos und waren bewaffnet. Angeklagt sind ein 39 Jahre alter Deutscher und ein 30 Jahre alter Deutsch-Türke, die beide zur Großfamilie gehören. 

Laut Anklage saß der Ältere als Beifahrer in einem Wagen, den der Jüngere gefahren haben sollte. In der Nähe des Universitätsklinikums in Niederrad habe der Beifahrer aus dem Auto mit einer halbautomatischen Pistole mindestens vier Schüsse auf ein anderes Auto abgegeben. Zwei Schüsse trafen das Heck, verletzt wurde niemand. Die Anklagebehörde sprach von „Selbstjustiz“ und „Rache“.

Haftbefehl aufgehoben

Anschließend sei es zu einer Verfolgungsjagd bis nach Sachsenhausen gekommen, bei der laut Staatsanwaltschaft mindestens zwei unbeteiligte Verkehrsteilnehmer gefährdet wurden: einen Radfahrer habe das Auto nur knapp verfehlt, ein Fußgänger habe sich nur durch einen Sprung zur Seite retten können. 

Die Anklage lautete zu Beginn des Prozesses auf gemeinschaftlichen versuchten Totschlag, gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr, Verstoß gegen das Waffengesetz und Fahren ohne Fahrerlaubnis. Beide Angeklagte saßen bis Prozessbeginn in Untersuchungshaft. Der Haftbefehl gegen den angeblichen Fahrer wurde dann überraschend aufgehoben. 

Verteidigung sorgt für Überraschung

Der Verteidiger des 30-Jährigen präsentierte die Auswertung von Handydaten seines Mandanten, die weder der Staatsanwaltschaft noch dem Gericht bekannt waren. Die Daten belegen, dass er sich nicht dort aufhielt, wo die Schüsse fielen. 

Er sei in einem Einkaufszentrum gewesen und dort telefonisch von den Ereignissen unterrichtet worden. Ob und wie gegen ihn weiterverhandelt wird, soll in einem der Folgetermine entschieden werden. Acht weitere Termine sind anberaumt.

„Wollte niemanden verletzen“

Wie der 30-Jährige äußerte sich auch der 39-Jährige nicht selbst zu den Vorwürfen und beantwortete auch keine Fragen. Über seinen Anwalt ließ er eine Erklärung verlesen, in der er die Schüsse zugab und dass er keine Erlaubnis habe, eine Waffe zu besitzen. 

In dem anderen Auto hätten Mitglieder der gegnerischen Gruppe gesessen, einer habe aus dem Fenster eine Waffe gezeigt. Er habe die Gegner warnen und verjagen wollen, um weitere Gewalt gegen seine Familie zu verhindern. Dabei habe er gezielt auf das Heck und in die Luft geschossen und niemanden verletzen wollen. 

Der Begriff Clankriminalität ist umstritten, weil er nach Ansicht von Kritikern Menschen mit Migrationshintergrund alleine aufgrund ihrer Familienzugehörigkeit und Herkunft stigmatisiert und diskriminiert.