Sexuelle Gewalt im Pfarrhaus: Als Kind missbraucht - Betroffener klagt gegen Kirche
Jens Windel will in einem Zivilprozess Schmerzensgeld vom Bistum Hildesheim einklagen. Er sei als Messdiener zigfach vergewaltigt worden. Die Kirche sieht seinen Fall als verjährt an.

Jens Windel will in einem Zivilprozess Schmerzensgeld vom Bistum Hildesheim einklagen. Er sei als Messdiener zigfach vergewaltigt worden. Die Kirche sieht seinen Fall als verjährt an.

Ein früherer Messdiener verlangt als Missbrauchsbetroffener mindestens 400.000 Euro Schmerzensgeld vom Bistum Hildesheim. Am Freitag (11.00 Uhr) beginnt vor dem Landgericht Hildesheim das Zivilverfahren. Der heute 50-jährige Kläger Jens Windel erhielt bisher von der katholischen Kirche in vier Schritten 50.000 Euro als freiwillige Zahlung. „Die bisherigen Summen bagatellisieren mein Erlebtes“, sagte Windel der dpa. Er sei im Alter von neun bis elf Jahren von dem Pfarrer in Sorsum immer wieder vergewaltigt worden.

Das Bistum beantragte die Abweisung der Klage. An diesem Freitag wird unter dem Vorsitz von Landgerichtspräsident Jan-Michael Seidel mündlich verhandelt. Eine Entscheidung wird laut einem Gerichtssprecher an diesem Tag nicht erwartet.

Missbrauchsopfer: „Man kommt an seine Grenzen“

Vor dem Prozessstart geht es dem 50-Jährigen schlecht. „Man kommt an seine Grenzen, ich merke das jeden Tag. Es ist so belastend für den Körper“, sagte Windel, der sich erst 2013 auf Anraten seines Verhaltenstherapeuten beim Bistum gemeldet und seinen Fall bekanntgemacht hatte. Der Beschuldigte sei ein Serientäter. Inzwischen hätten sich 18 Personen gemeldet, in der Akte des beschuldigten Pfarrers befinden sich laut Windel aber nur Hinweise auf zwei Betroffene. Es handelt sich um die erste Schmerzensgeld-Klage dieser Art in Niedersachsen.

Bistum bestreitet Täterschaft des Beschuldigten nicht

Das Bistum Hildesheim beantragt, die Klage von Jens Windel abzuweisen. Die Kirche sieht die Vorwürfe als verjährt an und erläutert, dass keine schriftlichen Quellen und auch keine anderweitigen Hinweise dazu vorlägen, dass der beschuldigte Priester sexualisierte Gewalt gegen Windel ausgeübt habe. 

In anderen Fällen habe das Bistum Hinweise darauf, dass dieser Priester sexualisierte Gewalt gegenüber Minderjährigen verübt habe, weshalb das Bistum auch nicht grundsätzlich bestritten habe, dass er ein Täter war. Der Priester starb vor mehr als 20 Jahren. 

Windel hatte vor dem Zivilprozess versucht, sich mit der Kirche außergerichtlich zu einigen. Diese Versuche lehnte der Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer ab. In einem Interview 2023 bezeichnete Wilmer eine solche Einigung als „Mauschelei“.

Betroffene protestieren gegen Klageerwiderung

Die Betroffenen-Organisation „Eckiger Tisch“ kritisiert die Haltung des Bistums Hildesheim, das sich im Zivilverfahren darauf beruft, dass es keine schriftlichen Quellen für den Missbrauch von Jens Windel gibt, obwohl die Kirche bereits Anerkennungsleistungen zahlte. „Die Beweislastumkehr, die hier vorgenommen wird, scheitert schon daran, dass weder der Kläger noch eine unabhängige Stelle Zugang zu den Akten des Bistums hat und diese möglicherweise auch schon vernichtet wurden“, sagte Sprecher Matthias Katsch. Betroffenen-Initiativen haben Protestaktionen in Hildesheim angekündigt.