Nach Studentenprotest: Iran will unverschleierte Frauen in "psychiatrische Klinik" einweisen
Nach dem Protest einer Studentin in Unterwäsche will der Iran Nachahmerinnen abschrecken. Eine "psychiatrische Klinik" soll Frauen "behandeln", die den Hidschab ablehnen.

Nach dem Protest einer Studentin in Unterwäsche will der Iran Nachahmerinnen abschrecken. Eine „psychiatrische Klinik“ soll Frauen „behandeln“, die den Hidschab ablehnen.

Lila Bustier, gestreifte Unterhose, die schwarzen Haare offen: Das Video, dass Ahou Daryaei so zeigt, ging zuletzt um die Welt. Denn: In dieser Aufmachung ging die iranische Studentin, 30, über den Campus der privaten Azad-Universität in Teheran.

Daryaei wurde festgenommen und nach Angaben des Regimes im Anschluss an die Aktion in ein „Pflegezentrum für Spezialbehandlungen“ gebracht. Die Begründung: Sie leide an „psychischer Labilität“.

Nach Berichten der britischen Zeitungen „Guardian“ und „The Telegraph“ soll dieses Modell im Iran jetzt Schule machen. Offiziellen Angaben zufolge soll in Teheran eine „Klinik zur Beendigung der Hidschab-Entfernung“ entstehen. Es ist der jüngste Versuch der islamischen Republik, den Widerstand von Frauen im Keim zu ersticken, der das Land seit dem gewaltsamen Tod der 22-jährigen Jina Mahsa Amini im September 2022 und der darauf folgenden „Frauen, Leben, Freiheit“-Bewegung erfasst hat und der dem religiös-konservativen Regime ein Dorn im Auge ist. 

Eine Klinik junge Frauen, die „islamische Identität suchen“

Die sogenannte Zentralstelle für die Förderung der Tugend und die Prävention des Lasters soll die Kraft hinter der vorgeblich psychiatrischen Klinik sein. Das ist jene Regierungsbehörde, die für die Durchsetzung strenger religiöser Vorschriften zuständig ist. Sie wird von Mohammed Saleh Hashemi Golpayegani geleitet, der direkt vom Obersten Führer Ayatollah Ali Chamenei ernannt wurde. International wird die Behörde wegen ihrer Menschenrechtsverletzungen und der brutalen Bestrafung von Frauen, die sich nicht an die islamische Kleiderordnung halten, immer wieder scharf kritisiert.

Die Leiterin der Abteilung für Frauen und Familie der Regierungsbehörde, Mehri Talebi Darestani, sagte, die Klinik werde „wissenschaftliche und psychologische Behandlungen bezüglich der Entfernung des Hidschabs“ anbieten. Das „freiwillige“ Angebot richte sich speziell an Teenager und junge Frauen, die „nach einer sozialen und islamischen Identität suchen“. Das Projekt konzentriere sich auf die Förderung von „Würde, Bescheidenheit, Keuschheit und Hidschab“.

Verschärfung repressiver Maßnahmen gegen iranische Frauen

Die Maßnahme zeigt, wie viel Angst die Islamische Republik vor unverschleierten Frauen hat. Seit Jahren verschärfen sich die repressiven Maßnahmen des Regimes. Etwa durch stärkere Präsenz der Sittenpolizei und das Verbot für unverschleierte Frauen, öffentliche Räume wie Einkaufszentren und Parks zu betreten. STERN PAID 41_22 Reportage Iran Kinder des Zorns 09.03

 

Zudem setzen die Behörden seit wenigen Monaten auf Kameraüberwachung an öffentlichen Plätzen. Die Aufnahmen sollen Frauen identifizieren, die kein Kopftuch tragen. Diejenigen, die dabei erwischt werden, dass sie ihr Haar nicht rechtmäßig bedecken, erhalten eine „Warn-SMS“. Berichten zufolge soll dadurch die iranische Sittenpolizei, die bislang die Regeln durchsetzt, entlastet oder sogar ersetzt werden. Mutmaßlich wird das Regime dabei durch technisches Equipment von China unterstützt. 

Kritiker Irans sprechen von „Geschlechterapartheid“

International bricht die Kritik nicht ab. Die Vereinten Nationen bezeichnete das harte Durchgreifen als „Geschlechterapartheid“. Im Zuge der Proteste solidarisierten sich iranische Prominente, in dem sie Bilder von sich ohne Hidschab posteten. Daraufhin sprach das Regime Reiseverbote aus, fror Bankkonten ein oder verpflichtete einige Frauen per Gerichtsbeschluss zu wöchentlichen Besuchen in psychiatrischen Zentren.

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Im vergangenen Jahr gaben vier iranische Psychiatrieverbände eine gemeinsame Erklärung ab. In dieser verurteilten sie, dass Frauen, die den Hidschab nicht tragen, systematisch als psychisch krank abgestempelt werden. „Die Diagnose psychischer Störungen fällt in den Zuständigkeitsbereich eines Psychiaters und nicht eines Richters, ebenso wie die Diagnose anderer Krankheiten in den Zuständigkeitsbereich von Ärzten und nicht von Richtern fällt“, schrieben die Psychiater in einem Brief vom Juli an Gholamhossein Mohseni Ejei, den Obersten Richter des Iran.

Anwalt: „Weder islamisch noch mit iranischem Recht vereinbar“

Menschenrechtsgruppen äußerten sich ebenso entsetzt über den neusten Plan des Regimes. Der „Guardian“ zitiert den iranischen Anwalt Hossein Raeesi, die Idee einer Klinik zur Behandlung von Frauen, die sich nicht an die Hidschab-Gesetze hielten, sei „weder islamisch noch mit dem iranischen Recht vereinbar“. Eine junge iranische Frau sagte der Zeitung anonym: „Es wird keine Klinik sein, es wird ein Gefängnis sein.“ Jetzt sei die Zeit auf die Straße zurückzukehren, andernfalls würden alle Frauen, die sich gegen das Regime stellen, eingesperrt. 

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In den sozialen Medien verbreitete sich die Nachricht schnell und sorgte auch dort für massive Kritik. „Ein beunruhigender Versuch, abweichende Meinungen zu pathologisieren und Stimmen für  #FrauenLebenFreiheit zum Schweigen zu bringen“, schreibt eine indische Journalistin auf der Plattform X. Eine Anti-Rassismus-Aktivistin schreibt auf X: „Das hat nichts mit dem Islam zu tun.“