Meinung: Zweiter Bundesligist verlässt X – warum es alle tun sollten
Der nächste Bundesliga-Klub verlässt X, vormals Twitter. Der SV Werder Bremen hat von Elon Musks Netzwerk genug und geht. Reicht die Signalwirkung? Es sollten nun alle folgen.

Der nächste Bundesliga-Klub verlässt X, vormals Twitter. Der SV Werder Bremen hat von Elon Musks Netzwerk genug und geht. Reicht die Signalwirkung? Es sollten nun alle folgen.

Anders als in der aktuellen Tabelle steht der FC St. Pauli diesmal an erster Stelle: Bereits Mitte November entschied der Kiezklub, dass man von X, vormals Twitter, und Elon Musk die Nase gestrichen voll hat. Noch ist das Profil des Bundesligisten dort zwar zu finden, aber seit der Abschiedsmeldung gibt es dort keine neuen Einträge mehr.

Ganz offenbar war der FC St. Pauli damit ein Vorbild für den befreundeten Bundesligisten Werder Bremen. Freudig begrüßen die Hamburger ihre Kollegen auf Bluesky mit den Worten: „Was ist grün und auch bei Bluesky? Werder Breeeeemen! Herzlich Willkommen an unsere lieben Freund*innen von der Weser!“

Bundesligist SV Werder Bremen verlässt X

Denn mit Werder Bremen hat sich nun der zweite Verein der Bundesliga von Elon Musks Netzwerk – sozial kann man es nicht mehr nennen – verabschiedet. Der Verein war seit 2008 dort aktiv und schreibt in einer Mitteilung: „Seit Elon Musk die Plattform übernommen hat, haben unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit Hatespeech, Hass gegen Minderheiten, rechtsextremistische Posts und Verschwörungstheorien in einem unglaublichen Tempo zugenommen. Die Radikalisierung der Plattform wird durch Elon Musk und seine Postings selbst vorangetrieben, so äußerte er sich unter anderem transphob, antisemitisch und verbreitete Verschwörungserzählungen.“

Kommentar Musk Trump 20.10

Weiter heißt es: „Mit der Radikalisierung der Plattform in der letzten Zeit ist für den Bundesligisten eine rote Linie überschritten worden. Daher verlassen die Grün-Weißen X und hoffen, dass viele der über 600.000 Follower*innen dem Verein zukünftig auf Bluesky folgen werden.“

Die Reaktionen fallen erwartungsgemäß gemischt aus. Auf X wird die Ankündigung von Häme und Beleidigungen begleitet, auf Bluesky heißt man den Verein willkommen und freut sich darüber, der Lieblingsmannschaft nicht mehr auf dem ehemaligen Twitter-Profil folgen zu müssen. Das Internet ist an dieser Stelle in zwei sehr unterschiedliche Lager geteilt. Und ganz ehrlich: Es wird auch nicht mehr zusammenfinden.

Immer wieder hört man das Argument, dass es wichtig sei, gerade weil man anderer Meinung ist, auf X weiterhin Präsenz zu zeigen. Beispiel Robert Habeck: Er begründete das nach seinem kürzlich erfolgten Comeback mit den Worten: „Orte wie diesen den Schreihälsen und Populisten zu überlassen ist leicht. Aber es sich leicht zu machen kann nicht die Lösung sein. Nicht heute. Nicht in dieser Woche. Nicht in dieser Zeit. Deshalb bin ich wieder auf X.“

Ich meine: Doch, es kann eine Lösung sein, es sich leicht zu machen. Es sollte sogar die Lösung für den Umgang mit X sein.

Die Bundesliga sollte X sich selbst überlassen

Denn nur, weil sich irgendwo im Internet auf einer zugegebenermaßen ehemals netten Plattform zahlreiche Menschen versammeln, muss man sich dort nicht auch aufhalten. Man darf und sollte X sich selbst überlassen, statt dort auf Konfrontation zu gehen. Je weniger Nutzer bleiben, desto weniger Relevanz hat das Netzwerk.

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Debatten lassen sich in diesem Umfeld ohnehin längst nicht mehr führen. Und das hat nicht nur etwas mit der etwaigen politischen Einstellung der Nutzer zu tun, sondern hat technische Gründe. Seit Elon Musk die blauen Haken für Nutzerprofile verkauft und die Beiträge der zahlungsbereiten Kundschaft in den Vordergrund stellt, ist jeglicher Diskurs unmöglich geworden. Denn wer nicht auch zahlt, wird übertönt. So entsteht, da das Abo-Modell offenbar eine recht homogene Masse anzieht, ein äußerst eintöniger Diskurs, der es nicht mehr wert ist, überhaupt geführt zu werden.

Man stelle sich einen Streit vor, bei dem eine Person nur flüstern darf und die andere Person mit dem Megafon antwortet, während das Publikum zehn Meter entfernt lauschen muss. Was für ein Unsinn.

Hinzu kommt – das betrifft weniger den Fußball als die Politik –, dass Musk Debatten steuern kann. Zuletzt wurde das bei der US-Wahl doch sehr sichtbar. Der Algorithmus spült den Leuten das in die Timeline, was Musk selbst für richtig hält. Und, da der Eigentümer sich gerne auch in Auslandspolitik einmischt, beschränkt sich das nicht auf die USA. Habeck und Scholz bezeichnete er bereits als „Narr“ und erntete den Beifall seiner virtuellen Freunde. Herzchen für Hetze – braucht kein Mensch.

Zusammen ist man stark

Doch zurück zu den Fußballern: Es darf angenommen werden, dass Hunderttausende Menschen vor allem deshalb unentschlossen sind, ob sie X verlassen wollen, weil sie dort noch immer für sich relevante Informationen erhalten. Für viele werden es die neuesten Nachrichten ihres Lieblingsvereins sein. Alleine dem FC Bayern München folgen sieben Millionen Konten. 

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Wenn der Spitzensport, angeführt von der Bundesliga, sich endlich gegen das stellt, was Werder Bremen „die Radikalisierung der Plattform“ nennt, könnte der deutsche Fußball zumindest hierzulande – vielleicht auch international – endlich etwas bewirken. Auf X und mit X hat Elon Musk auch deshalb so viel Einfluss, weil sich dort immer noch sehr viele Menschen tummeln. Lässt man das Netzwerk zu einer Echokammer ohne relevantes Publikum verkommen, könnte man dieses Kapitel endlich schließen.

Ich meine: Der FC St. Pauli und der SV Werder Bremen liegen mit ihrer Entscheidung genau richtig. Man muss auf X nicht gegen die Windmühlen des Hasses kämpfen, man kann ihnen auch einfach den Rücken kehren und sie sich selbst überlassen. Wie gesagt – Diskurs gibt es dort nicht. Und in der Hoffnung zu bleiben, dass man dort irgendwann doch noch einen gemeinsamen Nenner findet, kann man sich schenken. Twitter ist tot und Musk freut sich über seine für 44 Milliarden US-Dollar gekauften Nutzer.

Es ist Zeit, diesem Netzwerk die kalte Schulter zu zeigen – und mit dem Lieblingsverein im Rücken fällt das doch gleich viel leichter.