Mutmaßlicher Hungertod: Essgestörtes Mädchen stirbt - Eltern vor Gericht
Social-Media-Plattformen quellen über von Bildern scheinbar perfekter Körper. In der Realität kämpfen immer mehr vor allem junge Frauen mit Essstörungen wie Magersucht - teils mit fatalen Folgen.

Social-Media-Plattformen quellen über von Bildern scheinbar perfekter Körper. In der Realität kämpfen immer mehr vor allem junge Frauen mit Essstörungen wie Magersucht – teils mit fatalen Folgen.

Knapp zwei Jahre nach dem mutmaßlichen Hungertod eines Mädchens in Unterfranken stehen die Eltern der 16-Jährigen von heute an (9.00 Uhr) vor dem Landgericht Schweinfurt. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Paar vor, keine ärztliche Hilfe geholt haben, obwohl beide wussten, dass ihre Tochter in Lebensgefahr war. 

Die essgestörte Jugendliche war mangelernährt, hatte sich kurz vor ihrem Tod im Dezember 2022 mit dem Coronavirus infiziert und litt an einer Magen-Darm-Infektion. Der 51-Jährige und seine 48 Jahre alte Frau aus Unterfranken sind wegen versuchten Totschlags, Aussetzung und gefährlicher Körperverletzung angeklagt. Für den Prozess sind insgesamt drei Verhandlungstage angesetzt.

Jugendliche abgemagert

Den Ermittlungen zufolge hatte die Schülerin eine Essstörung. Dadurch war sie mangelernährt und abgemagert – sprich: nur noch Haut und Knochen. Gesundheitlich soll es der 16-Jährigen zunehmend schlechter gegangen sein. Das Coronavirus und die Magen-Darm-Infektion sollen den Körper des Mädchens zusätzlich geschwächt haben. Dennoch holten die Eltern laut Staatsanwaltschaft keine Hilfe für ihre Tochter, die mit ihnen zusammen in einem Haus lebte.

Das Paar habe daher billigend in Kauf genommen, dass sein Kind an den Folgen der Erkrankungen sterben könnte, so die Anklagebehörde. Dabei sollen es die Angeklagten zumindest für möglich gehalten haben, dass ihre Tochter bei ärztlicher Hilfe hätte gerettet werden können. Die Jugendliche starb am 19. Dezember 2022 mutmaßlich an den Folgen von Unterernährung.

Psychische Erkrankungen in Pandemie vor allem bei Mädchen gestiegen

Wissenschaftlern zufolge ist die Zahl der Jugendlichen mit Essstörungen wie Magersucht oder Bulimie bundesweit gestiegen – besonders in der Corona-Pandemie. Vor allem bei 12- bis 17-jährigen Mädchen und Frauen gab es einer Studie der KKH Kaufmännische Krankenkasse zufolge zwischen 2020 und 2021 einen massiven Anstieg um mehr als 30 Prozent. Einer der Gründe – neben der Pandemie: Sogenannte Fake-Ideale und die Flut von Bildern vermeintlich makelloser Menschen auf Social-Media-Plattformen.

2021 litten 17,6 von 1.000 jungen Leuten in dem Alter an einer Essstörung, ein Jahr zuvor waren es 13,4 und im Vor-Corona-Jahr 2019 noch 12,9 von 1.000, wie aus den Daten der KKH in Hannover hervorgeht. 2011 waren es 11 von 1.000. 

Laut Hochrechnung dürften bundesweit etwa 50.000 Jugendliche im Alter von 12 bis 17 Jahren von einer Essstörung betroffen sein – die meisten davon Mädchen und junge Frauen. Die Dunkelziffer sei hoch, die Daten bildeten nur ärztlich diagnostizierte Fälle ab.