Ein neuer Trend: Viele Menschen setzen auf alkoholfreie Getränke. Gin-Brenner Maximilian von Pückler erklärt den Boom der No-Promille-Spirituosen.
Es macht sich eine große Nüchternheit breit. Immer mehr Menschen verwehren sich einer Amour fou mit dem „Teufel Alkohol“ und setzen auf alkoholfreie Spirituosen. Der stern hat mit einem gesprochen, bei dem der Rausch zum Geschäft gehört: Maximilian von Pückler. Er ist Chef der Destillerie „The Duke“ und hat schon Gin gebrannt, als der noch nicht hip war. Von Pückler zählt zu den Pionieren der deutschen Gin-Produktion – und ist Fan von Alkohol. Trotzdem macht auch er beim Trend, den Spirituosen die Promille zu nehmen, mit. Warum? Ein Gespräch über die Zukunft des Trinkens.
Sagen Sie mal, Herr von Pückler, früher war irgendwie mehr Rausch, oder?
Ich persönlich liebe den Rausch, er hat was Großartiges, klar, auch etwas Gefährliches, etwas Zerstörerisches. Wir kennen alle diesen Punkt, an dem der Alkohol beschwingend wirkt, stimulierend. Aber auch den Punkt, an dem man spürt, so, jetzt wird’s kontraproduktiv, zum allerletzten Drink hätten wir mal besser nein gesagt. Klar, im zunehmenden Alter wird man gerade auch hinsichtlich des Folgetages vorsichtiger. Und ich beobachte, dass manche, gerade auch junge Leute, diese Form von Rausch gar nicht mehr suchen. Ob der Rausch ausgedient hat? Das glaube ich nicht. Es findet aber, würde ich sagen, eine Verfeinerung statt. Das reine Wirkungstrinken wird insgesamt weniger, dafür nimmt die Auseinandersetzung mit dem Geschmack zu. Suchtexpertin gabriele fischer
Neuerdings ist alkoholfreies Trinken sexy. Wieso?
Ich habe die Vermutung, dass das vor dem Hintergrund des Trends um eine immer bewusstere Ernährungsweise geschieht. Alkohol stand diesbezüglich natürlich schon immer ein bisschen am Pranger: Ist er nun gut oder doch eher nicht? Ich persönlich halte mich da an Paracelsus: „Die Dosis macht das Gift“. PAID Beim Frucht- Juwelier17h
Trotzdem haben auch Sie bei „The Duke“ inzwischen einen sogenannten „entgeisterten“ Gin, also einen ohne Promille, im Portfolio. Warum machen Sie bei dem Trend mit?
Tja, eine gute Frage. Tatsächlich begreifen wir uns als Pioniere und wollen uns eben nicht jedem Trend um den Hals werfen. Und ich gebe zu, dass ich am Anfang sehr skeptisch war, den Sinn von alkoholfreien Spirituosen hinterfragt habe. Aber was ist mit den Menschen, die keinen Alkohol trinken wollen oder können und deren Auswahlmöglichkeiten sich am Abend auf Wasser, Softdrinks und Saft beschränken? Für diese Leute wollten wir das Angebot spannender machen.
Sagen Sie mal ehrlich,schmeckt der entgeisterte Gin tatsächlich wie der mit Alkohol?
Nein, denn ihm fehlt die entscheidende Komponente Alkohol. Gin ist ein Gewürzbranntwein mit komplexen Aromen, welche durch den Alkohol transportiert werden. Die Herausforderung bestand darin, den Alkohl durch intensive Aromen zu ersetzen, mit dem Ziel, dem Bartender oder der Genießer ein Spirituosen-Substitut an die Hand zu geben. Also etwas, das denselben Job macht wie eine Spirituose und im Mix für den geschmacklichen Unterschied sorgt. Dafür haben wir uns extrem aromadichte Gewürze ausgesucht, wie etwa Nelke, Muskat und Rosmarin.
Böse Zungen behaupten, es handele sich bei den alkoholfreien Alternativen auch nur um ein Art Sirup. Einen teuren Sirup. Denn viele dieser Alternativen sind fast so teuer wie die Geschwister mit Alkohol und kosten eher 20 Euro aufwärts. Ist das angemessen?
Ja, richtig, es fehlt eine Komponente: Alkohol. Daher könnte man den Preis schon kritisch hinterfragen. Aber die Spanne ist nicht so groß, wie man glauben mag. Klar, die Alkoholsteuer fällt bei den Herstellungskosten weg. Diese liegt – nur mal so als Orientierungsmarke – bei einem 45-prozentigen Gin bei 4,10 Euro. Was das Ganze aber teuer macht, ist die Herstellung. Um das Konzentrat zu erzeugen, ist mehrmalige Destillation nötig. Das ist ein sehr aufwendiger Prozess. Würden wir mit künstlichen Aromen arbeiten, könnten wir das Ganze spottbillig verkaufen. Maximilian von Pückler ist Chef der Gin-Destillerie „The Duke“ in Aschheim.
© The Duke
Joerg Meyer, seines Zeichens immerhin der Erfinder des Gin Basil Smash, ließ jüngst in seinem Newsletter eine ganze Tirade bezüglich des Trends um alkoholfreie Gins und wie er es nannte „andere Liederlichkeiten“ ab …
Ich würde sagen, überlassen wir dessen Existenzberechtigung doch dem Verbraucher. Viele haben ja prognostiziert, dass alkoholfreie Gins nur eine Eintagsfliege sein würden. Im Gegensatz dazu steigt die Nachfrage nach alkoholfreien Spirituosen jedoch nach wie vor. Entscheidend dabei ist: Die Kunden greifen wiederholt zu diesen Produkten. Sie scheinen also doch einen Mehrwert zu liefern.
Wie es ist, auf Partys nur Wasser zu trinken, während alle anderen immer betrunkener werden, schrieb schon Benjamin von Stuckrad-Barre in „Nüchtern“: „Alle anderen haben einen Mordsspaß. Und ich, ich tue so, als ob.“
Ich erlebe auf Partys auch oft, dass Menschen, die gar nichts trinken, dann, wenn die Party nach dem zweiten Glas so richtig in Schwung kommt und es so langsam in den kollektiven Rausch geht, aussteigen. Die machen dann zwar noch gute Miene zum bösen Spiel, aber man spürt es. Tja, den Rausch können wir auch mit alkoholfreien Spirituosen nicht liefern, außer wir würden noch ein paar psychedelische Komponenten hinzufügen. Muskat kann solche Rauschzustände zwar auslösen, mit unseren Mengen sind wir davon allerdings weit entfernt. Aber es gibt natürlich auch noch andere Möglichkeiten einen Rausch zu erzeugen. Zum Beispiel, indem man sich in Rage redet oder durchs Tanzen. Das ersetzt den Alkoholrausch zwar nicht, ist aber auch spannend. Saufen ohne Kater: Fünf Cocktail-Rezepte ohne Alkohol
Vor ziemlich genau 100 Jahren galt in den USA die Alkoholprohibition. Damals wurden Speakeasy-Bars erfunden. Und heute, heute gibt es bereits die ersten Sober-Bars. Bars also, in denen alle Drinks alkoholfrei sind. Ist das die Zukunft?
Ich glaube nicht. Das Konzept der Sober-Bars lebt ja vom Gegenentwurf. Sicherlich werden sie Alkohol-Substitute anbieten und nicht nur Saft, sonst wäre der Begriff Bar witzlos und man müsste es Café nennen. Ich denke, der Alkohol als solcher hat noch längst nicht ausgedient. Auch während der Prohibtion gab es zwei Seiten. Die einen, die sehr moralinsauer mit erhobenem Zeigefinger den Alkoholkonsum verdammt haben und dachten, sie sind die Mehrheit. Und die trinkfreudige Menge auf der anderen Seite, die offenbar gezeigt hat, dass dem nicht so ist. Es war wohl naiv zu glauben, dass man so eine uralte Kulturdroge wie es der Alkohol ist, einfach abschaffen kann. Schlussendlich lassen sich beide Seiten doch gut versöhnen: warum nicht mit einem alkoholfreien Drink seinem Gegenüber in der Bar mit einem kräftigen Martini anstoßen? Prost!