Kolumne: Das Wort des Herrn: Frohes Fest, falscher Streit
Weihnachten, das Fest der Harmonie? Loriot beweist, dass Zoff unterm Christbaum zeitlos ist – genauso wie die Themen, über die wir streiten, findet Anpalagan.

Weihnachten, das Fest der Harmonie? Loriot beweist, dass Zoff unterm Christbaum zeitlos ist – genauso wie die Themen, über die wir streiten, findet Anpalagan.

Der Bibelvers für diese Woche steht in Johannes 12, Vers 46: „Ich bin als Licht in die Welt gekommen, auf dass, wer an mich glaubt, nicht in der Finsternis bleibe.“

Früher war mehr Lametta.

Loriot wirkt noch heute aktuell

Der Gag ist aus dem Jahre 1978 und Teil der Serie „Weihnachten bei den Hoppenstedts“. Wenn man heute nachschaut, wie Opa Hoppenstedt ein Geschenk für sein Enkelkind kaufen möchte und dabei die Verkäuferin über die Frage nach dem Geschlecht des Kindes in schiere Verzweiflung stürzt („Wenn Ihr Enkelkind denn ein Zipfelchen hat …“, „Mein Enkelkind hat alles, was es braucht!“), könnte man darüber heutige Debatten über Transsexualität wiedererkennen. Am Ende kauft Opa Hoppenstedt ein Atomkraftwerk-Modellbaukasten. Ob es denn auch ordentlich „Wumms“ machen würde, fragt der Großvater. Die Verkäuferin ist ganz geschäftig: „Wenn man einen Fehler macht, gibt es eine kleine Explosion. Es macht Puff, die Kühe fallen um und die kleinen Häuser und Bäume. Da ist dann immer ein großes Hallo und viel Spaß.“ Ich muss an die vielen Diskussionen der vergangenen Tage über Windenergie, Dunkelflaute und Atomstrom denken.

Kasten Anpalagan

Vielleicht ist das der Grund, warum die Deutschen noch immer so gerne Loriot anschauen. Die Fernsehsendungen „Loriot I-VI“ sind mittlerweile über 45 Jahre alt, „Ödipussi“ wurde vor 35 Jahre und „Pappa ante portas“ vor 30 Jahren ausgestrahlt. Im politischen Alltagsgeschäft sind das Ewigkeiten. Trotzdem fühlen sich die Filme und Sketche an, als wären sie kaum gealtert. Warum?

An Weihnachten prallen Lebenswelten aufeinander

Vielleicht ist es so, dass wir, trotz aller Veränderungen, noch immer keinen vernünftigen Umgang mit den Problemen der Welt gefunden haben. Noch immer teilen wir die Welt in A und B auf und schaffen es kaum, Kompromisse zu schließen und auf vermeintliche Gegner zuzugehen. Der Umgang der Ampel-Parteien nach ihrem Ende entspricht haargenau dem Umgang der deutschen Durchschnittsbevölkerung miteinander. Wo Einwanderer und Einheimische, Stadt- und Landbevölkerung, Junge und Alte, Männer und Frauen, Ostdeutsche und Westdeutsche es schaffen, einander aus dem Weg zu gehen und sich gegenseitig in ihren Vorurteilen über die jeweils anderen zu bestärken, bleibt es einigermaßen ruhig. Wo es aber zu Kontakt kommt, entsteht Reibung und damit Streit. Zu keiner Zeit lässt sich das besser beobachten als zu Weihnachten, wenn alle Lebenswelten aufeinanderprallen.

Anpalagan Faule Deutsche Kolumne 18.22

Wie soll man mit dem Onkel umgehen, der offen bekennt, bei „Pegida“ mitzulaufen und die AfD zu wählen? Wie begegnet man jemandem, der behauptet, die Flüchtlinge würden den Deutschen die Zahnarzttermine wegnehmen?

Die Konflikte sind alt

Als mir auf einer Familienfeier ein entfernter Großonkel erzählt, die Bahnhöfe seien wegen der vielen Ausländer zu Orten von Kriminalität und Drogen geworden, frage ich ihn, ob er schon einmal von „Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ aus dem Jahr 1981 gehört habe. Zur Messerkriminalität unter den Ausländern empfehle ihm ich das Lied „Tonio Schiavo“ von Franz Josef Degenhardt, in dem dieser im Jahr 1966 die Messerkriminalität der Italiener besingt. Die von Zuwanderung überforderten Kommunen gab es bereits beim Zuzug der Heimatvertriebenen in den 1950er-Jahren und beim Umzug der Ostdeutschen nach Westdeutschland im Jahr 1990. Über die Frage, wie die Energie- und Wärmeerzeugung der Zukunft aussehen soll, wurde bereits während der Ölkrise in den 1970er-Jahren gestritten. Der Klima-Aktivismus von heute ist nichts anderes als die harmlosere Variante der Anti-AKW-Demos aus den 1980er-Jahren. Nichts von alledem ist neu. Nicht einmal, dass an allem Übel der Welt die Ausländer und Arbeitslosen schuld sein sollen. Waren es damals die „kriminellen Ausländer“ und die „faulen Arbeitslosen“ sind es heute „Syrer und Afghanen“ und „Bürgergeld-Empfänger“.

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Wenn man es in dieser Ballung aufschreibt, kann man es selbst kaum glauben. Aber nahezu alles, was heute als Projekt der Grünen verschrien wird, war ursprünglich ein politisches Projekt von CDU und CSU. Die Finanzierung der „Radwege in Peru“ wurde von dem CSU-Politiker Gerd Müller eingeführt. Die Abschaltung der Kernkraftwerke wurde final unter einer CDU-Regierung im Jahr 2011 nach der Katastrophe in Fukushima beschlossen. Ebenso das „Heizgesetz“, das im Jahr 2020 als Gebäudeenergiegesetz vom Kabinett Merkel verabschiedet wurde. Selbst der Austausch der Kühlschränke, den Friedrich Merz gestern Robert Habeck in die Schuhe zu schieben versuchte, ist eine Idee, die von Peter Altmaier, dem ehemaligen Umweltminister der CDU, stammt.

Auch hier gilt: Es gibt nichts Neues unter der Sonne. Dass die Jugend von heute die Welt in den Abgrund treibe, konnte man bei Ausgrabungen auf alten Steintafeln in Keilschrift lesen. Viele Jahrhunderte später, aber immer noch 400 Jahre vor Christus, bestätigte der griechische Philosoph Sokrates diesen Weltschmerz. Gestern war es besser als heute. Die Altvorderen klüger als die Nachfahren. Noch anderthalb Generationen bis zum Untergang. Immerhin darin ist man sich, rechts wie links, einig. Früher war mehr Lametta.

An Weihnachten lieber über Weltpolitik schweigen

Ich würde ja empfehlen, an Weihnachten überhaupt nicht über Politik oder Religion zu sprechen. Oder aber, man macht das genaue Gegenteil. Heiligabendgottesdienst, Festtagsschmaus, Alkohol und los geht’s mit den Debatten über Klima, Gendern, Migration und Lieferkettengesetz. Der Verlierer muss den Abwasch machen. Der Gewinner bereitet den Nachtisch vor.

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Wie auch immer Sie, verehrte Leserin und verehrter Leser, Ihr Weihnachtsfest feiern, ich wünsche Ihnen frohe, gesegnete und besinnliche Tage. Bleiben Sie gesund und passen Sie auf sich auf. Und auch wenn es schwerfällt: Genießen Sie jede Minute, die Sie mit ihrer Familie und ihren Freunden verbringen können.

Wir hören einander im nächsten Jahr

Ihr

Stephan Anpalagan