Noch immer fehlen Plätze und Personal für die Betreuung der Jüngsten. Das Land NRW steuert mit verschiedenen Maßnahmen gegen. Ein Schritt ist hochumstritten.
Das neue Jahr ist in Sichtweite, für viele Kitas und Familien bleibt es bei alten Problemen. Trotz Zunahme von Betreuungsplätzen und Personal reicht es vielerorts nicht. Die frühkindliche Bildung stehe vor zwei Herausforderungen: der finanziellen und der personellen, also dem Fachkräftemangel, schilderte das NRW-Familienministerium auf dpa-Anfrage. „In dieser Ausgangslage ist es unsere Priorität, Stabilität und Verlässlichkeit in das System zu bringen.“
Wie sieht es konkret bei Plätzen und Personal aus?
Im aktuellen Kindergartenjahr werden in Nordrhein-Westfalen laut Ministerium mehr als 764.000 Kinder in Kitas und Kindertagespflege betreut. Darunter sind gut 221.000 Plätze für Kinder unter drei Jahren. „Das sind so viele Plätze wie noch nie“, betonte eine Sprecherin. Nach mehreren Maßnahmen zur Stärkung werde für 2025 eine Rekordsumme für die frühkindliche Bildung bereitgestellt. Der Platz-Bedarf steige weiter, der Ausbau müsse weitergehen.
Zum 1. März 2024 arbeiteten in den Kindertageseinrichtungen knapp 145.000 pädagogisch und leitend tätige Personen. Hinzu kommen fast 15.000 Kindertagespflegepersonen. Es gebe nach wie vor einen Zuwachs bei den Fachkräften, der reiche aber nicht, berichtete die Sprecherin. Das Land arbeite an Lösungen, um mehr Beschäftigte zu gewinnen und um Familien, Träger und das bestehende Kita-Personal zu entlasten. Das neue Ausbildungsmodell QiK sei ein Baustein.
Die Maßnahme Qik läuft punktuell und langsam an
Das Programm „Qualifizierter Quereinstieg in die Kinderbetreuung“ ist im August gestartet und soll Menschen ohne formale pädagogische Ausbildung nach kurzer Anfangsqualifikation von 120 Unterrichtsstunden schnell in die Kitas bringen. Dort sollen sie zwei Jahre lang berufsbegleitende Fortbildungen mit weiteren 360 Unterrichtsstunden absolvieren.
QiK sei in Mönchengladbach im September gestartet – mit vier Trägern und 18 Teilnehmenden, berichtete das Ministerium. Das Modell solle künftig weiter ausgerollt werden. Für das nächste Kindergartenjahr planten der Kreis Steinfurt und der Rheinisch-Bergische Kreis eine Erprobung.
Familienministerin Josefine Paul sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Wir haben so viele Kitaplätze wie noch nie, aber gleichzeitig steigt eben auch der Bedarf an. Hier steuern wir gegen, um mehr Personal für unsere Kitas zu gewinnen und dieses gezielt weiterzubilden.“ Die neue Personalverordnung könne helfen, mit der auch ausländische Fachkräfte ohne große bürokratische Hürden schneller als pädagogische Kräfte in die Kitas gelangen.
Hochumstrittene Verordnung lockert Personalvorgaben
Mit der seit Anfang Dezember 2024 geltenden Kita-Personalverordnung können Ergänzungskräfte bei nicht vorhersehbaren Personalengpässen flexibler eingesetzt werden. In mehreren Petitionen sind dagegen Protestunterschriften in sechsstelliger Höhe zusammengekommen. Kritiker befürchten, dass Kitas zu „Aufbewahrungsstätten“ werden.
Laut Ministerin soll die zusammen mit Kommunen beschlossene Neuerung in Zeiten akuter Krankheitswellen Kita-Schließungen vermeiden. Auch weiterhin würden pädagogisch ausgebildete Kräfte die Betreuung sicherstellen, betonte die Grünen-Politikerin. Ergänzungskräfte wie Kinderpflegerinnen könnten zeitlich begrenzt für eine Fachkraft – also eine Erzieherin – einspringen. Für 60 Kinder, aufgeteilt auf mehrere Gruppen in einer Einrichtung, lasse sich die Verantwortung auf eine Fachkraft und fünf Kinderpflegerinnen aufteilen. An weiteren Maßnahmen zur Entlastung und Stabilität des Systems arbeite man.
Gewerkschaft alarmiert, Landeselternbeirat aufgeschlossen
Die Gewerkschaft Verdi kritisierte, dass die Qualifikation des Personals sinke, wie auch kürzlich das Kita-Ländermonitoring der Bertelsmann Stiftung gezeigt habe. Landesleiterin Gabriele Schmidt meinte jüngst in einer Mitteilung: „Wir befinden uns in einer dramatischen Abwärtsspirale, die dazu führt, dass sich die Einrichtungen zu Verwahranstalten entwickeln und ihren Bildungsauftrag nicht mehr erfüllen können.“ Der Erzieherberuf werde immer unattraktiver.
Im Familienministerium hieß es dagegen: „Immer mehr Menschen entscheiden sich für eine Tätigkeit in der Kindertagesbetreuung. Im Arbeitsfeld sind im Ergebnis heute 50 Prozent mehr Personen pädagogisch in den Kitas beschäftigt als noch vor 10 Jahren.“
Der Landeselternbeirat der Kindertageseinrichtungen zeigte sich offen: „Wir nehmen wahr, dass die Träger aus finanziellen Gründen beim Personal in den meisten Kitas auf Kante nähen. Dadurch fällt viel aus“, sagte LEB-Sprecherin Daniela Heimann. Die Verordnung könne – begrenzt bis zum Jahr 2030 – eine praktikable Lösung sein. „Es ist zumindest eine Möglichkeit, um nicht kurzfristig Kitas schließen zu müssen.“