Serie: Wirtschaftskrise – und ich?: Trotz wirtschaftlicher Unsicherheit ein Haus kaufen: Ist das sinnvoll?
Viele Menschen wollen sich eine Wohnung oder ein Haus kaufen, doch die Finanzierung wird in der Krise nicht leichter. Welche Voraussetzungen Sie jetzt erfüllen sollten.

Viele Menschen wollen sich eine Wohnung oder ein Haus kaufen, doch die Finanzierung wird in der Krise nicht leichter. Welche Voraussetzungen Sie jetzt erfüllen sollten.

Zurzeit sind die Kaufwilligen noch extrem verunsichert: Viele würden gern den Sprung in die eigene Immobilie wagen, das verraten die hohen Klickzahlen und Suchanfragen auf den einschlägigen Immobilienplattformen. „Die Nachfrage von Käuferseite her ist schon fast wieder so hoch wie in den Boomzeiten des Marktes“, also im Sommer 2022, sagt Gesa Crockford, Geschäftsführerin von Immoscout 24. Dennoch schaffen es viele Suchende nicht, den Traum vom Wohneigentum auch zu verwirklichen. Deshalb bleibt die Zahl der tatsächlich getätigten Verkäufe noch immer weit hinter den Vorjahreszahlen zurück. 

Das liegt zum einen daran, dass das Angebot an Häusern und Wohnungen noch recht übersichtlich ist. In den derzeit unsicheren Zeiten trennen sich nämlich vergleichsweise wenige Verkäufer von ihren Immobilien. Zudem hat die Wirtschaftskrise bewirkt, dass der Neubau nahezu komplett weggebrochen ist. Die Bauindustrie schwächelt als eine der ersten Branchen, wenn sich die wirtschaftliche Lage eintrübt. Für die aktuelle Situation bedeutet das: Es sind schon wieder so viele Suchende am Markt unterwegs, dass jeweils mehrere Interessenten bei einzelnen Häusern und Wohnungen um den Zuschlag buhlen. Dadurch kommen längst nicht alle Kaufwilligen zum Zuge.

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Die Folgen davon lassen sich bereits absehen: Die Preise für Immobilien steigen wieder. Die Mieten ziehen ebenfalls deutlich an, weil alle Kaufwilligen, die nicht fündig werden, erst einmal weiter mieten müssen. Das vergrößert den Druck auf dem Markt, vor allem in den begehrten Ballungsräumen, in die viele Menschen gern ziehen würden, weil es dort noch Jobs gibt, und in den Speckgürteln der Großstädte. 

Zwei Jahre lang waren die Kaufpreise gefallen

Zuvor waren die Kaufpreise zwei Jahre lang gefallen, nachdem die Notenbanken ihre Zinsen stark angehoben hatten. Das machte die Hypothekenkredite sehr viel teurer. Teilweise vervierfachten sich die Sollzinsen, die zu zahlenden Monatsraten stiegen für Käufer etwa um das Doppelte. Die Folge war, dass im Jahr 2022 und 2023 plötzlich kaum noch jemand ein Haus oder eine Wohnung kaufen wollte. Der Markt erlahmte völlig, weil viele entweder nicht mehr die Rate stemmen konnten oder aber auf noch weiter sinkenden Hauspreise hofften. Viele Käufer warteten ab. 

Jetzt wollen viele wieder zuschlagen, doch inzwischen schauen auch die Banken genauer hin. Das hängt ebenfalls mit der Krise zusammen: Die sinkenden Hauspreise haben es auch für die Banken schwieriger gemacht, den wahren Wert von Häusern – und möglichen Kredithöhen – zu beziffern. Zudem wollen Kreditinstitute nicht das Risiko eingehen, dass viele Käufer angesichts steigender Lebenshaltungskosten ihre Raten nicht dauerhaft bezahlen können, weil die Löhne und Gehälter eben nicht im selben Maße mitwachsen. Deshalb schlagen sie höhere Sicherheitspuffer bei den Berechnungen auf, und Banken prüften aktuell strenger und länger, welcher Käufer überhaupt einen Kredit bekomme, sagt Geschäftsführer Daniel Ritter vom Maklerhaus Von Poll Immobilien: „Die Anforderungen sind höher als früher, Käufer müssen auch mehr Eigenkapital vorhalten.“ Und im Zweifel ein höheres Einkommen nachweisen.

Für Kaufwillige heißt das, sie können sich zwar eine Finanzierungsbestätigung von der Bank besorgen, wenn sie ein interessantes Objekt gefunden haben. Das zeigt dem Makler schon bei der Besichtigung, dass sie sich die entsprechende Immobilie auch leisten können. „Aber die Finanzierungsbestätigungen sind von Bankenseite her unverbindlicher geworden“, mahnt Ritter. „Es ist also unsicherer, ob es mit dem Kredit wirklich klappt.“ Im Zweifel lehnt eine Bank den Kredit dennoch ab und die Suche geht weiter.

Die Wirtschaftskrise hat – zusammen mit der stark gestiegenen Inflation nach 2020 – dazu geführt, dass „die Realeinkommen noch nicht wieder auf dem Niveau von 2020 angekommen sind“, so sagt Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der ING Deutschland. Deshalb sei der Markt „bei der Erschwinglichkeit von Immobilien noch weit entfernt von dem Niveau, das wir noch vor ein paar Jahren hatten“. Obwohl aktuell also die Kreditzinsen wieder leicht sinken und aktuell bei rund 3 bis 3,5 Prozent liegen für 15 Jahre Zinsbindung, sind die Kaufpreise im Vergleich dazu nicht stark genug gefallen. Die Preisersparnis wiegt also die Mehrkosten für die Finanzierung nicht auf. Da aktuell auch die Arbeitslosenquote ansteigt, würden die Banken noch eine Weile zurückhaltend bei der Kreditvergabe sein, ist Brzeskis Prognose: „Deswegen wird der Immobilienmarkt nicht gleich wieder in den Superboom übergehen.“

Besser jetzt eine Wohnung oder ein Haus kaufen?

Aktuell raten Immobilienökonomen allen Kaufwilligen: Sofern sie ausreichend Eigenkapital angehäuft haben, also möglichst 20 Prozent der Kreditsumme, die sie benötigen – zuzüglich der Nebenkosten, die rund 10 Prozent des Objektwerts betragen – sollten sie versuchen, den Hauskauf umzusetzen. Günstiger als derzeit wird es wohl nicht, mahnt auch Deutschlands bekanntester Immobilienexperte, IW-Ökonom Michael Voigtländer: „Wir werden 2025 weitere Preissteigerungen sehen. Denn die steigenden Mieten machen das Kaufen ja wieder attraktiver.“ Zu knapp kalkulieren sollten sie dabei aber nicht, bekräftigen alle Marktbeobachter. Vor allem beim Kauf von älteren Bestandsgebäuden sei schwer zu kalkulieren, welche Sanierungs- oder Modernisierungskosten noch auf die Käufer zukämen in den nächsten Jahren. Also besser großzügig kalkulieren als zu knapp.

Wirtschaft kriselt – und mein Job? 15.55

Für alle Käufer, die es bereits ins Wohneigentum geschafft haben, aber sich zurzeit um ihre Kredite sorgen, gilt: Während der Zinsbindung haben sie wenig zu befürchten, solange sie ihre Raten dauerhaft tragen können. Die Wirtschaftsschwäche könnte aber dazu führen, dass die Europäische Zentralbank EZB noch weiter die Zinsen senkt. Das könnte auch die Kreditzinsen noch etwas günstiger werden lassen – allerdings nicht mehr allzu sehr. Denn es ist schon sehr viel Zinssenkungsoptimismus in die Kreditzinsen eingeflossen, daher sind sie schon entsprechend tief. 

Wer auf absehbare Zeit einen Anschlusskredit oder Neukredit braucht, der sollte sich das Zinsniveau möglichst langfristig sichern, auch wenn es im Vergleich zu 2018 hoch erscheint. Denn es ist unwahrscheinlich, dass die Zinsen bald wieder deutlich unter die 2-Prozent-Marke rutschen. Je länger man den Kreditzins einloggt, desto mehr Sicherheit hat man, dass die Raten dauerhaft gleich bleiben. Ganz wichtig ist: Einen Kredit wählen, bei dem man die Rate notfalls anpassen und senken kann. Falls die Krise doch aufs Gehalt durchschlagen sollte.