Neu im Kino: Die Lügen der Leni Riefenstahl
Produziert von Sandra Maischberger, gibt der Dokufilm "Riefenstahl" Einblick in das Leben der einstigen Nazi-Propaganda-Filmerin. Er zeigt, dass Riefenstahl noch lange glühende Bewunderer hatte.

Produziert von Sandra Maischberger, gibt der Dokufilm „Riefenstahl“ Einblick in das Leben der einstigen Nazi-Propaganda-Filmerin. Er zeigt, dass Riefenstahl noch lange glühende Bewunderer hatte.

Leni Riefenstahl grinst, ihre blond gefärbten Locken perfekt eingedreht sitzt sie 1976 in einer Talkshow. „Da müssen Sie mich verwechseln“, sagt sie zu einer Zeitzeugin, die sie auf den menschenverachtenden Charakter ihrer Filme anspricht. 

Riefenstahl (1902-2003), die für Adolf Hitler Filme wie „Triumph des Willens“ oder „Olympia“ drehte, war bekannt dafür, ihre historische Verantwortung zu leugnen. Mit lächelndem Pokerface gab sie sich als naive Künstlerin, die nur ihre Aufträge erfüllt habe. So ist sie auch im neuen Dokumentarfilm „Riefenstahl“ zu sehen, der jetzt ins Kino kommt.

„Riefenstahl“ ist ein Film von Andres Veiel. Produziert von Sandra Maischberger, setzt sich das Werk anhand von Riefenstahls Nachlass mit ihrem Verhältnis zum Nazi-Regime auseinander, erzählt aber auch aus ihrer Biografie. Veiel und Maischberger hatten als Erste Zugang zu dem aus 700 Kisten bestehenden Nachlass der Künstlerin.

Hinweis auf Hitler-Begeisterung hat sie versteckt

Entstanden ist ein so finsteres wie faszinierendes Werk über eine Frau, die zu manipulieren wusste. Immer wieder zeigt der Film Szenen, die nahelegen: Riefenstahl hat ihre Tätigkeit für das NS-Regime wohl nicht bereut. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sie als Mitläuferin klassifiziert, sie selbst betonte immer wieder, sie sei unpolitisch gewesen. 

Die Recherchen im Nachlass hätten ein anderes Bild ergeben, sagt Regisseur Veiel. „Wir sind auf den Hinweis eines Interviews des „Daily Express“ mit Riefenstahl aus dem Jahr 1934 gestoßen, das eigentliche Interview fehlte“, erzählt er. „Wir haben es uns dann aus dem Archiv der Zeitung kommen lassen. Darin bekennt Riefenstahl, sie habe 1932 Hitlers „Mein Kampf“ gelesen und sei schon nach der Lektüre der ersten Seiten eine begeisterte Nationalsozialistin geworden.“

Warum sie das Interview aus ihrem Nachlass entfernte? „So ein Dokument hätte ihre mühevoll aufgebaute Legende einer „Unpolitischen“ mit einem Schlag eingerissen“, sagt Veiel. In „Riefenstahl“ zeigt er Interview-Ausschnitte ebenso wie private Fotos, aufgenommene private Telefonate oder Zitate aus persönlichen Aufzeichnungen.

Maischberger: Riefenstahl verweigerte sich einer Läuterung

Dabei ist Veiel und Maischberger bewusst, dass Riefenstahl die wirklich brisanten Hinweise aus ihrem Nachlass nicht der Nachwelt hinterlassen haben dürfte. „Wir wissen, dass sie Teile des Beweismaterials aus ihrem Nachlass vernichtet hat“, sagte Maischberger beim Filmfest Venedig, wo das Werk Premiere feierte. „Aber ich war überrascht, wie viele Dinge sie hinterlassen hat.“

Riefenstahl habe sich „bis zuletzt einer inneren und äußeren Läuterung verweigert“, hatte Maischberger zuvor in einer Pressemitteilung gesagt. „Im Nachlass finden sich zahlreiche Spuren, die dies belegen: auf einer Seite ihres Kalenders die scheinbar gedankenlos hingekritzelten Worte „wählen NPD“; in einem Briefwechsel mit einem langjährigen Weggefährten das offen ausgetauschte, ungebrochene Bedauern über das Ende der guten, nationalsozialistischen Zeit; Dankesworte eines bekannten Holocaust-Leugners. Vor allem aber der Austausch mit Freunden und Bewunderern in vielen Telefonaten, die Riefenstahl in großer Zahl aufgezeichnet hatte.“

Filmemacher wie Tarantino bewundern sie

Was ihre Filmkunst angeht, hat Riefenstahl viele Bewunderer. „Jodie Foster, Rammstein und viele andere näherten sich der Künstlerin, ohne sich allzu lange mit ihrer politischen und historischen Verstrickung aufhalten zu wollen“, sagte Maischberger. Und zitierte eine Aussage von Regisseur Quentin Tarantino, der einmal sagte, Riefenstahl sei „die beste Regisseurin, die jemals lebte“ gewesen.

Andere bewunderten sie nicht nur wegen ihrer Filmarbeit. Besonders bedrückend sei es gewesen, die Tonbänder von Anrufen anzuhören, die Riefenstahl nach der Ausstrahlung der eingangs erwähnten Talkshow im Jahr 1976 bekommen habe, sagte Maischberger. 

Sie war damals in der WDR-Talkshow „Je später der Abend“ zu Gast, muss sich kritischen Nachfragen stellen. „Ich habe damals nicht voraussehen können – und viele Millionen andere auch nicht -, was einmal geschehen würde“, sagt sie. „Ich habe es nicht gewusst.“

„Antisemitische Ressentiments erleben gerade eine wuchtige Wiederkehr“

Nach der Talkshow bekommt sie Hunderte bekräftigende Zuschriften. Ein paar davon werden in der Doku vorgelesen. „Wie Sie inzwischen selbst erfahren haben, steht der Großteil der BRD auf Ihrer Seite“, heißt es darin etwa. Wer im Internet Videos der Talkshow sucht, findet auch aktuelle Kommentare mit einem ähnlichen Wortlaut. 

„Riefenstahl“ bietet keine schockierenden Enthüllungen, ist eher als Zeugnis und Mahnung im aktuellen politischen Klima zu verstehen. „Antisemitische Ressentiments erleben gerade eine wuchtige Wiederkehr, verbunden mit der Sehnsucht nach einem Nationalstaat, in dem vermeintlich früher alles besser, geordneter und sicherer war“, sagt Veiel. „Auch in diesem Kontext zitieren wir Leni Riefenstahl. Noch zu Lebzeiten hoffte sie, dass das deutsche Volk wieder zu Anstand, Sitte und Moral zurückkehren würde, es habe schließlich die Anlage dazu. Das Zitat hätte auch von prominenten Vertretern der AfD stammen können.“