E-Mobilität: Ladenetz am Wasser: So soll das Wattenmeer elektrisch werden
Auf der Straße sollen künftig E-Autos fahren - und im Wattenmeer? Noch fehlt in Marinas und Jachthäfen eine Ladeinfrastruktur für Sport- und Freizeitboote. Das soll sich ändern.

Auf der Straße sollen künftig E-Autos fahren – und im Wattenmeer? Noch fehlt in Marinas und Jachthäfen eine Ladeinfrastruktur für Sport- und Freizeitboote. Das soll sich ändern.

An Land kommt der Umstieg auf die Elektromobilität langsam, aber sichtbar voran: Auch wenn der Absatz von E-Autos aktuell schwächelt, werden vielerorts nach und nach neue Ladepunkte installiert. Auf der Nordsee dagegen schippern noch kaum Motorboote oder Segeljachten elektrisch angetrieben – auch weil in Jachthäfen und Marinas Ladepunkte wie an Land bislang fehlen. „Das Wasser wurde vergessen bei der ganzen Elektrifizierung“, sagte Holger Wesemüller, Vorsitzender des Beirats für den Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer.

Eine Gruppe von Hafenbetreibern, Küstenkommunen, Motor- und Segelverbänden sowie Naturschützern arbeitet an dem Umstieg: Sie wollen die Freizeitschifffahrt im Unesco-Weltnaturerbe Wattenmeer klimaneutral machen. Die niedersächsische Küste könne dabei eine Vorreiterrolle einnehmen, sagte Wesemüller, der an dem Vorhaben mitarbeitet. 

In dem Projekt „E-Mobilität in See- und Sportboothäfen“ (E-MobiSS) werden unter Leitung der Naturschutz- und Forschungsgemeinschaft Mellumrat und der Insel Borkum etwa technische Anforderungen für eine Freizeitschifffahrt mit fossilfreien und batterieelektrischen Antrieben untersucht. Es wird vom Bundesverkehrsministerium gefördert. 

Alle 30 Kilometer eine Ladesäule für Boote

Ein Teil des Projektes sieht den Aufbau einer Kette von Ladepunkten entlang der niedersächsischen Küste vor. Denn noch gebe es auf dem Wasser stärker als an Land ein „Henne-Ei-Problem“, sagte Fachberater und Kapitän Christian Bahlke. Ohne eine Ladeinfrastruktur gebe es bei Bootseignern kaum Motivation, auf fossile Treibstoffe zu verzichten. „Unser Ansatz ist, zu versuchen, Ladesäulen im Abstand von 30 Kilometern entlang der Küste aufzubauen. Das wäre technisch gut machbar für E-Boote“, sagte er. 

Die Vorteile liegen aus Sicht des Kapitäns auf der Hand: „Ein E-Motor, wenn er mit regenerativer Energie betrieben wird, ist natürlich umweltfreundlich und klimaneutral. Gerade im Unesco-Weltnaturerbe Wattenmeer sollten wir da eine Vorreiterrolle übernehmen“, sagte Bahlke. 

Neben weniger Emissionen und Lärm für die Meeresumwelt seien E-Motoren auch komfortabler für die Bootsbesitzer. „Man braucht keine Kanister mit Benzin durch die Gegend schleppen.“ Außerdem hätten E-Motoren eine längere Lebensdauer als etwa Dieselmotoren. In der Anschaffung seien E-Motoren teurer, die Betriebskosten lägen aber etwa ein Drittel unter den üblichen Kosten, erklärte Bahlke. 

Die Voraussetzungen für den Aufbau einer Ladeinfrastruktur stehen laut den Initiatoren nicht schlecht, denn oft verfügen Marinas schon über Stromverbindungen etwa an Stegen, damit Freizeitskipper bei einem Hafenaufenthalt ihren Kühlschrank oder ihre Kaffeemaschine an Bord betreiben können. „Diese Leitungen sind aber nicht dafür ausgelegt, dass man damit Antriebsbatterien laden kann. Dann werden diese Leitungen schnell überlastet“, sagte Bahlke.

Hafen-Ladesäulen für Boote und Autos

„Einer muss anfangen und die Infrastruktur aufbauen, damit Bootsbetreiber wissen, dass sie auch an der Küste entlangfahren können“, ergänzte Wesemüller. Erste Häfen und Marinas hätten Interesse signalisiert, Ladesäulen für Elektroboote am Wasser zu installieren – darunter sind etwa die Stadt Leer und der Küstenort Neuharlingersiel in Ostfriesland. 

Eine Analyse ergab: Für eine rund 430 Kilometer lange Kette entlang der Küste zwischen Ems und Elbe bräuchte es insgesamt rund 21 Ladestationen in einem Abstand von höchstens 30 Kilometern zueinander. Die Ladesäulen sollten möglichst so in den Häfen installiert werden, dass sie gleichzeitig auch für Autos genutzt werden könnten, um die Auslastung zu erhöhen, sagte Bahlke. Denn: „Im Moment ist der Bedarf von Seeseite noch gering.“

Welche Anforderungen es an die künftige Ladeinfrastruktur gebe, sei von Marina zu Marina verschieden, sagte Maria Bouillet vom Ladeinfrastrukturanbieter Bouillet Energy. Für das Laden mit Wechselstrom sei Infrastruktur in Häfen teils schon vorhanden. Wenn es um das Laden mit Gleichstrom gehe, also ein schnelleres Laden, werde oft eine Netzanschlusserweiterung gebraucht. „Dort ist es deswegen dann etwas aufwendiger eine Ladeinfrastruktur zu errichten“, erklärte die Expertin. Diese Anbindung sei etwa für größere Boote interessant oder solche, die schneller laden müssten, wie etwa Wassertaxen. 

Land stellt keine Förderung in Aussicht

Was bislang auch noch fehle, sagte die Expertin, sei ein Abrechnungssystem, damit Bootseigner wie bei einem E-Auto an Land mit einer Karte laden und Strom abrechnen könnten. Bislang würden Stromkosten meist über eine Pauschale bei der Liegeplatzgebühr berechnet. Werde künftig deutlich mehr Strom benötigt als nur für den Betrieb einer Kaffeemaschine an Bord, komme dieses Abrechnungssystem an seine Grenze, sagte Bouillet. 

Die meisten Hafenbetreiber seien interessiert an einem Aufbau von Ladeinfrastrukturen – wenn es denn auch gefördert werde, sagte Wesemüller. Die Initiatoren hoffen daher darauf, dass das Land Niedersachsen – ähnlich wie etwa schon in Schleswig-Holstein – so eine Förderung auf den Weg bringen könnte. Das Nachbarbundesland macht bei seiner Förderung demnach keinen Unterschied, ob es ein Ladepunkt für ein Auto oder ein Boot ist. 

„Das wäre ein Kick, wenn Niedersachsen ein Programm auflegen würde, was sicher auch auf trilateraler Ebene zu weiteren Verhandlungen führen würde“, sagte Wesemüller. Er wies darauf hin, dass die Wattenmeer-Anrainer Deutschland, Dänemark und die Niederlande schon 2010 vereinbarten, die Wattenmeer-Region bis 2030 klimaneutral machen zu wollen. 

Ein solches Förderprogramm wäre „mit Sicherheit ein interessanter Ansatz“, heißt es auf Anfrage aus dem Ministerium von Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD). Aufgrund der Haushaltslage werde aktuell aber davon abgesehen. „Wir begrüßen die geplante Elektrifizierung der Freizeitschifffahrt an der niedersächsischen Küste, weil dies ein weiterer innovativer Schritt zu mehr Klimaschutz ist. Aktuell sehen wir allerdings keinen Ansatz für eine landesseitige Unterstützung“, teilte ein Ministeriumssprecher weiter mit. 

Pläne auch an anderen europäischen Küsten

Andere europäische Regionen zeigten schon, wie die der Umstieg auf die E-Mobilität auch auf dem Wasser gelingen könnte, sind sich die Initiatoren des E-MobiSS-Projektes sicher. Sie verweisen etwa nach Spanien oder an die schwedische und norwegische Küste. Allein zwischen Göteborg und Kristiansand sollen mehr als 400 Ladepunkte für Elektroboote geschaffen werden. 

In einer Arbeitsgemeinschaft wollen die Projektverantwortlichen ausarbeiten, welche technischen Fragen es vor Ort gibt – und dann möglichst bald eine erste Ladesäule aufstellen. „Im Augenblick reicht unsere Initiative von der Ems bis zur Elbe“, sagte Bahlke. Perspektivisch haben die Ideengeber auch die Nachbarregionen im Sinn – ein Anschluss niederländischer Häfen und an den Nord-Ostsee-Kanal Richtung Ostsee sei das Ziel.