Thüringen: Frühere CDU-Ministerpräsidentin für neuen Umgang mit der AfD
Fünf Jahre war Christine Lieberknecht Regierungschefin in Thüringen, 30 Jahre saß sie im Landtag. Die AfD dürfe keine Macht bekommen, sagt sie. "Aber man muss mit ihr über Abläufe reden."

Fünf Jahre war Christine Lieberknecht Regierungschefin in Thüringen, 30 Jahre saß sie im Landtag. Die AfD dürfe keine Macht bekommen, sagt sie. „Aber man muss mit ihr über Abläufe reden.“

Die frühere Thüringer Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) fordert einen anderen Umgang ihrer Partei mit der AfD. „Ich bin weiterhin klar dafür, dass die CDU nicht mit der AfD aktiv zusammenarbeitet. Die AfD darf keine Macht bekommen. Aber man muss mit ihr über Abläufe reden“, sagt sie dem „Stern“. „Es ist weder demokratisch noch produktiv, der AfD ihre parlamentarischen Rechte zu verwehren.“

In Thüringen ist die AfD, die vom Verfassungsschutz des Landes als gesichert rechtsextremistisch eingestuft wird, bei der Landtagswahl am 1. September stärkste Kraft geworden. Die konstituierende Sitzung des Landtages versank Ende September wegen des Auftretens von AfD-Alterspräsident Jürgen Treutler zeitweise im Chaos. Da niemand mit der AfD zusammenarbeiten will, sprechen CDU und SPD derzeit mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) über eine Regierungsbildung. 

Lieberknecht wies darauf hin, dass die AfD zwar keinen Anspruch auf den Landtagspräsidenten habe, ihr aber ein Platz im Parlamentspräsidium zustehe. „Wenn die Fraktion also einen nicht vorbestraften oder offen extremistischen Politiker aufstellt, sollte die CDU ihn wählen“, sagte sie. „Darüber hinaus erfordert die Sperrminorität, dass die AfD bei der Wahl von Verfassungsrichtern eingebunden wird.“

Da die AfD in Thüringen mehr als ein Drittel der Landtagsmandate gewonnen hat, ist bei Entscheidungen und Wahlen, die eine Zweidrittelmehrheit erfordern, ihre Zustimmung erforderlich. So werden etwa die Verfassungsrichter vom Parlament mit Zweidrittelmehrheit gewählt.

Zweifel an AfD-Verbotsverfahren – „Gedanken lassen sich nicht verbieten“ 

Ein mögliches AfD-Verbotsverfahren sieht die frühere Ministerpräsidentin skeptisch. „Ich glaube nicht, dass ein Verbotsverfahren Erfolg hätte“, sagte sie. Sie nehme ernst, dass der Verfassungsschutz etwa die Thüringer AfD als erwiesen rechtsextrem eingestuft habe, auch nehme sie die extremistischen Äußerungen von Führungspersonen wie AfD-Landes- und Fraktionschef Björn Höcke wahr. 

„Aber inwieweit dieser Extremismus auf die ganze Bundespartei übertragbar ist, erschließt sich mir nicht ausreichend“, sagte Lieberknecht und äußerte darüber hinaus grundsätzliche Einwände. „Parteien lassen sich vielleicht verbieten – aber die Gedanken der Leute lassen sich nicht verbieten.“ 

Lieberknecht führte von 2009 bis 2014 als Regierungschefin in Thüringen eine schwarz-rote Koalition an. Sie war damals die erste Frau an der Spitze eines ostdeutschen Bundeslandes. 2020 hatte Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) vorgeschlagen, Lieberknecht zur Lösung der politischen Krise in Thüringen als Übergangsregierungschefin einzusetzen.