Meinung: Denn sie wussten genau, was sie tun
Nicht Wertefragen scheinen diese US-Wahl entschieden zu haben, sondern die nüchterne Sorge um den eigenen Geldbeutel. Das mag uns irre vorkommen, aber eins steht fest: Den Amerikanern war klar, wen sie da erneut wählen. 

Nicht Wertefragen scheinen diese US-Wahl entschieden zu haben, sondern die nüchterne Sorge um den eigenen Geldbeutel. Das mag uns irre vorkommen, aber eins steht fest: Den Amerikanern war klar, wen sie da erneut wählen. 

Nein, 2024 ist nicht wie 2016, das immerhin. Als Deutschland an diesem Morgen aufwachte und Amerika erschöpft schlafen ging, war vom damaligen Urknall, der Grunderschütterung des ersten Wahlsieges von Donald Trump, kaum noch etwas zu spüren. An dessen Stelle ist ein dumpfes Gefühl des Déjà-vu getreten. 

Wir sind nicht in einer komplett neuen Welt aufgewacht. Wir sind in einer Welt aufgewacht, die Trump seit acht Jahren mit geformt hat – und die er nun aller Voraussicht nach noch ganz anders formen wird. 

Das ist die wichtigste, die nüchternste Erkenntnis dieser US-Wahlnacht, die so seltsam antizyklisch leise daherkommt, dass sie zum Lärm, dem Irrsinn der Trump-Jahre kaum passen mag. Es wirkt beinahe, als kehre da jemand ganz geordnet ins Weiße Haus zurück.

Auch die sonstigen Erkenntnisse rund um diese Wahl wirken erstaunlich rational: Mit Kamala Harris ist die Kandidatin gescheitert, die zwar nicht die aktuelle US-Regierung leitete, sie aber dennoch als Vizepräsidentin (und ohne parteiinterne Auswahl gekürte Biden-Ersatzfigur) verkörperte. Nicht einmal jeder dritte Amerikaner gab in Umfragen nach dem Urnengang an, dass sein Land sich aktuell in eine gute Richtung entwickle. Gegen diesen Schrei nach „change“, nach Veränderung, kann eine amtierende Regierung kaum ankommen. 

Und, ebenfalls erstaunlich rational, gar menschlich, wenn auch natürlich egoistisch: Viele Wählerinnen und Wähler scheinen sich dafür entschieden zu haben, was ihnen selbst am meisten nützt. Nicht der Streit um Einwanderung, um Abtreibung, um „Werte“ hat wohl bei dieser Abstimmung den Ausschlag gegeben, sondern die Sorge um den eigenen Geldbeutel.

„It’s the economy, stupid“, hieß einst die legendäre Maxime des Demokraten Bill Clinton. Der Milliardär Donald Trump hat diese für sich adaptiert. Er ahnte: Die, die jeden Tag darüber nachdenken, wie teuer Benzin ist, wie kostspielig Lebensmittel sind, wie viel man für einen Big Mac zahlen muss, denken an wenig Anderes. US-Wahl Newsblog

Viele US-Wähler fühlen: Es ging uns besser unter Trump

Dass die US-Wirtschaft eigentlich boomt, dass die von Trump vorgeschlagenen Zölle die Inflation wohl erst recht wieder anheizen werden? Derlei Argumente fanden wenig Gehör, so rational, so vernünftig sie auch sein mögen. Aber es bringt nichts, deswegen Amerikas Wählern Irrationalität vorzuwerfen, das ist es bei den meisten nämlich nicht (wenn man von einer kleineren Anzahl fanatischer Trump-Jünger absieht). 

Die Leute wissen schon, wen sie sich da zurück ins Weiße Haus holen: Trumps Charakter (und dessen Fehler) waren ihnen schlicht nicht so wichtig. Wichtiger war ihnen wohl das Gefühl: Es ging ihnen besser unter Trump. 

Wird dieser nun zur Generalattacke auf die Demokratie blasen? Wird er seine Gegner verfolgen lassen, Amerikas Institutionen schleifen, die auf einen so legitimierten und gleichzeitig autoritären Machthaber eigentlich nicht eingestellt sind? Wird er die Ukraine binnen 24 Stunden fallen lassen, einen Deal mit Wladimir Putin machen, wird er die Nato verlassen? 

All das lässt sich noch nicht sagen. Es sieht auch so aus, als könne er sich künftig auf eine unvergleichliche Machtfülle stützen: eine Mehrheit im Senat und im Repräsentantenhaus, am Obersten Gerichtshof ohnehin. Was sich wohl schon jetzt sagen lässt: Die USA werden als moralische und demokratische Führungsmacht zumindest vier Jahre lang ausfallen. US Wahl Wahltag FS

Es war zwar immer naiv zu glauben, unter einer Präsidentin Harris hätte es eine komplette Abkehr von „America First“ oder eine transatlantische Renaissance gegeben. Aber natürlich wären wir Deutschen ihr wertemäßig näher gewesen. 

Und, ohne die Vergleiche zwischen Washington und Berlin überstrapazieren zu wollen: Wenn Wähler so nach ihren wirtschaftlichen Interessen wählen, werden sie sich auch bei der nächsten Wahl in Scharen von der deutschen Ampel-Regierung abwenden, denn die aktuellen wirtschaftlichen Sorgen sind in Deutschland viel begründeter als in den USA. 

Nun wird in Berlin das Argument auftauchen, die Ampel müsse zusammenhalten, um nicht noch weiteres Chaos in der Welt zu stiften. Diese Ampel-Regierung als Bollwerk gegen eine Trump-Regierung? Darüber müsste selbst Donald Trump, der gar keinen Humor versteht, herzlich lachen.