Ampel-Krach: Ein Investmentbanker wird Finanzminister: Das ist Jörg Kukies
Olaf Scholz hat das Amt des Finanzministers mit einem Vertrauten besetzt: Jörg Kukies folgt auf Christian Lindner. Der ehemalige Investmentbanker von Goldman Sachs ist umstritten.

Olaf Scholz hat das Amt des Finanzministers mit einem Vertrauten besetzt: Jörg Kukies folgt auf Christian Lindner. Der ehemalige Investmentbanker von Goldman Sachs ist umstritten.

Nach dem Bruch der Ampelkoalition formiert sich die rot-grüne Minderheitsregierung. Jörg Kukies ersetzt den entlassenen Christian Lindner (FDP) als Finanzminister, bestätigte ein Regierungssprecher am Donnerstag.

Der frühere Goldman-Sachs-Investmentbanker und Sozialdemokrat zählt zu den wichtigsten Beratern und engsten Vertrauten von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Zuletzt war er Staatssekretär im Kanzleramt. Kukies ist Scholz‘ Mann für Wirtschaft und Finanzen und verhandelt als sogenannter „Sherpa“ die Abschlussdokumente der G7- und G20-Gipfel. Er wurde als „bodenständig“ und „vorsichtiger Typ“ beschrieben.

Jörg Kukies‘ lange Karriere bei Goldman Sachs

Jörg Kukies, 1968 in Mainz geboren, verbrachte einen Teil seiner Kindheit in Kalifornien. Er wuchs in einem sozialdemokratischen Elternhaus auf und engagierte sich bei den Jusos, der Jugendorganisation der SPD, der er 1986 beitrat. Anfang der 1990er-Jahre war er Landesvorsitzender der Jusos in Rheinland-Pfalz.

Kukies ist mit einer Psychologin verheiratet und hat eine Tochter. Er gilt als begeisterter Langstreckenläufer. Während seines Studiums lief er den Marathon in 2:47 Stunden. Mit seiner Familie besucht er regelmäßig Spiele des Fußball-Bundesligisten 1. FSV Mainz 05.

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Nach dem Abitur 1988 studierte er Wirtschaftswissenschaften in Paris. Anschließend erwarb er einen Master in Public Administration an der Harvard University und promovierte in Finanzwissenschaften in Chicago.

Seit 2001 arbeitete er bei Goldman Sachs in verschiedenen Positionen. Während eines Praktikums in New York erlebte er die Terroranschläge auf das World Trade Center. Kukies leitete später das Aktiengeschäft für Deutschland und Österreich und war Co-Vorsitzender des Vorstands der Goldman Sachs AG sowie Geschäftsführer der Frankfurter Niederlassung von Goldman Sachs International.

Olaf Scholz‘ Mann für Finanzen

2018 wechselte Kukies in die Politik und wurde Staatssekretär für Finanzmarkt- und Europapolitik im Bundesfinanzministerium unter Olaf Scholz. Scholz suchte einen Insider für die Finanzmärkte, ein Vorgehen, das umstritten war. Linke und Grüne zweifelten an der Unabhängigkeit des ehemaligen Investmentbankers. „Finanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz imitiert Donald Trump und macht Brandstifter zur Feuerwehr“, sagte der damalige Linken-Fraktionsvize Fabio de Masi. 2021 wurde Kukies Staatssekretär im Bundeskanzleramt – ebenfalls unter Scholz.

Dass Kukies nun Christian Lindner im Amt beerbt, ist ebenfalls umstritten. BSW-Chefin Sahra Wagenknecht kritisierte: „Die Sozialdemokraten betrauen ausgerechnet einen ehemaligen Goldman-Sachs-Banker mit der Aufstellung des Bundeshaushalts.“ Auch das sage viel über den Zustand der SPD aus, sagte Wagenknecht der Nachrichtenagentur AFP.

Infografik Ampel-Gesetz

Ampel zerbricht im Streit

Nach drei schwierigen Jahren mit Krieg in der Ukraine, Rekordinflation und Rezession zerbrach am Mittwoch die Ampelregierung in Deutschland – knapp ein Jahr vor der regulären Wahl. Scholz machte Lindner dafür verantwortlich und sprach von fehlendem Vertrauen und zu vielen Querschüssen. Neuwahlen könnte es laut Scholz spätestens Ende März geben. Lindner warf dem Kanzler wiederum Führungsschwäche und eine falsche Wirtschaftspolitik vor.

Scholz hatte Lindner am Mittwoch nach einem beispiellosen Zerwürfnis entlassen. Heute um 14 Uhr soll Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue Lindners Entlassungsurkunde überreichen. Anschließend erhält Kukies seine Ernennungsurkunde. Scholz, der Lindner mehrfachen Vertrauensbruch und Kleinkariertheit vorgeworfen hatte, wird wohl dabei sein – so ist es jedenfalls üblich.

Quellen: Nachrichtenagenturen AFP, DPA und Reuters, Bundesfinanzministerium, Munzinger Archiv, DFV Euro Finance Group, World Economic Forum, „Spiegel“