Ein Staatsanwalt aus Hannover sitzt in Untersuchungshaft. Er soll Informationen an ein Kokain-Kartell verkauft haben. Das Justizministerium weist Kritik an seinem Umgang mit dem Fall zurück.
Die Entschlüsslung der Chats von Kriminellen über Drogengeschäfte hat den Ausschlag für die Verhaftung eines Staatsanwalts aus Hannover gegeben. „Dadurch kam es zur Wiederaufnahme des Verfahrens“, sagte der zuständige Abteilungsleiter im niedersächsischen Justizministerium. „Die Erkenntnislage war plötzlich eine andere.“
Der 39-jährige Staatsanwalt wird verdächtigt, eine international agierende Rauschgiftbande über Ermittlungsergebnisse informiert und vor einer bundesweiten Razzia schon im Jahr 2021 gewarnt zu haben. Für die Informationen soll der Jurist Bargeld erhalten haben. Führende Köpfe des mutmaßlichen Kokain-Kartells setzten sich ins Ausland ab.
Verhaftet wurde der Mann am 29. Oktober 2024, gegen ihn ermittelt wurde aber schon 2022. Im Februar 2021 gab es einen Rekordfund von 16 Tonnen Kokain im Hamburger Hafen. Wenig später organisierte das niedersächsische Landeskriminalamt eine bundesweite Razzia, doch dem Ministerium zufolge konnte eine Vielzahl der Beschuldigten nicht mehr angetroffen werden. Ein Hauptverdächtiger setzte sich nach Dubai ab. Insgesamt soll die Bande mehr als 23 Tonnen Kokain aus Süd- und Mittelamerika in die Europäische Union verschifft haben.
„Leck“ in den Behörden schon seit Jahren bekannt
Schon damals sei man davon ausgegangen, dass es ein „Leck“ bei den Behörden geben müsse, sagte der Abteilungsleiter am Donnerstag im Landtag in Hannover. Die oppositionelle CDU hatte die Unterrichtung des Justizausschusses beantragt.
Im November 2022 gab es demnach eine Durchsuchung der Privatwohnung und des Dienstzimmers des verdächtigen Staatsanwalts. Die Ermittlungen wurden jedoch laut Ministerium später eingestellt – dem für Drogenverfahren zuständigen Staatsanwalt habe damals nicht nachgewiesen werden können, dass er das Leck in den Behörden war, das die Drogen-Bande gewarnt habe.
Der Staatsanwalt sitzt jetzt wegen des Verdachts der Bestechlichkeit in einem besonders schweren Fall, des Verrats von Dienstgeheimnissen und Strafvereitelung in Untersuchungshaft. Die CDU will erfahren, warum er trotz der Ermittlungen gegen ihn bis zu seiner Verhaftung weiterhin für die Drogenverfahren zuständig blieb.
Verdächtiger als „akribischer Arbeiter“ bekannt
Dazu sagte der leitende Beamte aus dem Ministerium, dass häufig Strafanzeigen gegen Richter und Staatsanwälte gestellt würden, in 90 Prozent der Fälle würden diese Verfahren eingestellt. Im Fall des jetzt Verdächtigen hätte es auch sein können, dass der Verdacht über die Verteidiger der angeklagten Drogenhändler lanciert worden wäre. Der 39-Jährige sei als akribischer Arbeiter bekannt gewesen und habe auch keine milden Strafen beantragt.
Eine weitere Frage der Opposition ist, warum die Staatsanwaltschaft Hannover selbst gegen den Kollegen ermittelt und keine andere niedersächsische Staatsanwaltschaft, etwa in Braunschweig oder Göttingen. Dem Abteilungsleiter zufolge wurde Staatssekretär Thomas Smollich im November 2022 über den Verdacht gegen den Staatsanwalt informiert. Er gehe auch davon aus, dass Justizministerin Kathrin Wahlmann (SPD) informiert worden sei.
Aus Sicht des Justizministeriums sei es nicht zu beanstanden, dass die für Korruption zuständige Staatsanwältin in Hannover gegen ihren Kollegen ermittelt habe. „Wir müssen sehen, wir haben einen riesigen Ermittlungserfolg erzielt“, sagte der Abteilungsleiter.