Textilkünstlerin: Weberin wider Willen: Wie Anni Albers die Kunstwelt revolutionierte
Hausfrau und Mutter? Wollte Anni Albers nicht sein. Stattdessen machte sie Karriere am Bauhaus und bekam als erste Textilkünstlerin eine Ausstellung im MoMA. 

Hausfrau und Mutter? Wollte Anni Albers nicht sein. Stattdessen machte sie Karriere am Bauhaus und bekam als erste Textilkünstlerin eine Ausstellung im MoMA. 

Anni Albers wird am 12. Juni 1899 als Annelise Else Frieda Fleischmann in Berlin als älteste von drei Geschwistern geboren. Ihre Mutter stammt aus der deutsch-jüdischen Verlegerfamilie Ullstein, ihr Vater ist ein Möbelfabrikant. Nachdem sie schon während der Schulzeit privaten Kunstunterricht erhält, absolviert sie später eine Ausbildung im Berliner Studienatelier für Malerei und Plastik. Der bedeutenden Maler Professor Oskar Kokoschka lehnt sie als Malerin ab, rät ihr sogar, doch lieber Hausfrau und Mutter zu werden. Da landet sie schließlich am Bauhaus – einer 1919 vom Architekten Walter Gropius im thüringischen Weimar gegründete Kunstschule. 

Kunstraub Ukraine 12:51

Eigentlich will sich Albers auch hier ganz der Malerei widmen. Doch als weibliches Mitglied hätten es „die Umstände“ ergeben, dass ihr ein Platz in der Weberei zugewiesen wurde. Interesse daran hatte sie anfangs nicht: „Ich war auf der Suche nach einem richtigen Beruf. Und so fing ich ohne Begeisterung mit dem Weben an, da ich mit dieser Wahl nun einmal am wenigsten Anstoß erregte“, wird die Webkünstlerin später dazu erklären. Zudem habe es gar keinen richtigen Lehrer für Textilarbeit gegeben. „Zu Beginn lernten wir überhaupt nichts. Wir saßen einfach da und haben probiert (…) Ganz allmählich entfachte der gewebte Faden meine Leidenschaft. Ich nutze ihn genauso wie ein Bildhauer oder Maler sein Medium nutzt.“ Sie experimentiert mit verschiedensten Fasern wie Wolle, Lurex und auch synthetischen Stoffen wie Zellophan und wird die wichtigste Textilkünstlerin des 20. Jahrhunderts. Sie schafft beeindruckende gewebte Bilder, später auch Zeichnungen und Druckgrafik. Auch Stoffmuster entwirft sie.

Anni Albers trifft am Bauhaus ihre große Liebe

Am Bauhaus lernt sie 1922 auch ihren Kommilitonen und späteren Ehemann Josef Albers kennen. Das Paar heiratet im Jahr 1925, da ist Josef schon zum Lehrer am Bauhaus aufgestiegen. 1930 schließt Albers als erste Weberin am Bauhaus ihr Diplom ab. Dafür entwirft sie einen Vorhang für die Aula des Auditoriums der Bundesschule des allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes in Bernau bei Berlin. Auf der Rückseite webt sie den schalldämpfenden Stoff Chenille ein. Auf der Vorderseite verwendet sie einen der ersten Plastikfäden, den es damals gibt. Den Faden, der gleichzeitig Licht reflektiert, hatte sie in einem Hut entdeckt, den sie sich in Italien gekauft hatte. In Anni Albers Werken überwiegen vor allem geometrische Formen und leuchtende Farben. „Jeder Wandteppich ist ein Gemälde“, kommentiert dazu der „Guardian“.

1931 übernimmt Albers die Leitung der Bauhaus-Werkstatt und wird eine der wenigen weiblichen Werkstattleiter. 1932 geht sie mit ihrem Mann zunächst von Weimar nach Berlin, wohin das Bauhaus später verlegt wird. 1933 vernageln die Nazis die Türen des avantgardistischen Designzentrums. Ihr Glück: Der amerikanische Architekt Philip Johnson fragt Anni, ob sie und Josef nach Amerika gehen wollten. Josef könne dort an dem neu gegründeten Black Mountain College in North Carolina unterrichten. Ohne zu überlegen, antwortete Anni: „Ja“. Sie beginnt neben ihren Web- und Schreibarbeiten ab 1939 ebenfalls dort zu lehren. Im selben Jahr nimmt das Paar die amerikanische Staatsbürgerschaft an.

„Six Prayers“ wird eines ihrer wichtigsten Werke

1949 verlassen die Albers das Black Mountain College und ziehen nach Connecticut. Im selben Jahr widmet ihr das New Yorker Museum of Modern Art (MoMA) als erste Textilkünstlerin eine Einzelausstellung. Mitte der 1960er schafft sie – als Gedenken an den Holocaust im Auftrag des Jüdischen Museum New York – den berühmten Wandteppich „Six Prayers“ (Sechs Gebete). Das fast zwei Meter hohe und drei Meter breite Bildgewebe besteht aus Baumwolle, Leinen, Bast und Metallgarn und soll eine „meditative Gedenkstätte für die Opfer“ sein.

Den Wandteppich „Six Prayers“ schuf Anni Albers im Auftrag des jüdischen Museums in New York als Gedenken an den Holocaust

Kurz darauf gibt Anni Albers 1970 im Alter von 71 Jahren das Weben auf. Es ist zu anstrengend geworden. Mit 94 Jahren stirbt die Künstlerin am 9. Mai 1994 in ihrem Zuhause in Orange in Connecticut. Ihr Ehemann war da schon 18 Jahre tot. 

Sehen Sie oben im Video: Banksy hat wieder zugeschlagen: Der weltberühmte Künstler hat im August innerhalb von neun Tagen neun Tier-Graffitis in London angebracht. Videoaufnahmen zeigen die Kunstwerke.

Quellen: albersfoundation.org, bauhaus-denkmal-bernau.de, Jüdische Allgemeine, Deutschlandfunk Kultur