Nach der Europawahl: Parlamentsausschüsse machen Weg für neue EU-Kommission frei
Nach zähem Streit im EU-Parlament kann Ursula von der Leyen wohl bald mit ihrer neuen Kommission loslegen. Zu den vorgesehenen Personalien steht am Abend in Brüssel ein umstrittener Kompromiss.

Nach zähem Streit im EU-Parlament kann Ursula von der Leyen wohl bald mit ihrer neuen Kommission loslegen. Zu den vorgesehenen Personalien steht am Abend in Brüssel ein umstrittener Kompromiss.

Die neue EU-Kommission von Präsidentin Ursula von der Leyen kann aller Voraussicht nach am 1. Dezember ihre Arbeit aufnehmen. Vertreter der Fachausschüsse im Europäischen Parlament stimmten in Brüssel den Vorschlägen für die Besetzung der politischen Spitzenposten zu. Zuvor hatten sich die Spitzen großer Fraktionen im Europaparlament auf die Besetzung verständigt.

Eine abschließende Abstimmung im Plenum des Parlaments steht noch aus, die Zustimmung gilt aber als wahrscheinlich. Teil des nun gefundenen Kompromisses ist auch eine schriftliche Vereinbarung des Mitte-Rechts-Bündnisses EVP, dem auch CDU und CSU angehören, der Sozialisten und Sozialdemokraten (S&D) sowie der liberalen Renew-Fraktion. 

Leitlinien schriftlich fixiert

In einem knapp zwei Seiten langen Papier werden Leitlinien der Zusammenarbeit festgehalten. Unter anderem seien Rechtsstaatlichkeit, Ukraine-Unterstützung und eine pro-europäische Ausrichtung Kernaspekte. 

Die mächtige EU-Kommission schlägt als einzige Institution in der EU Gesetze für die Staatengemeinschaft vor und überwacht die Einhaltung des EU-Rechts. Die EU-Staaten durften für die Neuaufstellung der Brüsseler Behörde mindestens eine Kandidatin und einen Kandidaten nominieren. Die deutsche Kommissionspräsidentin von der Leyen war bereits im Juli als Chefin der Brüsseler Behörde wiedergewählt worden und hatte das geplante Team für ihre zweite Amtszeit im September vorgestellt.

Streit um Besetzung

In den vergangenen Wochen waren die designierten Kommissare dann von den zuständigen Ausschüssen des Europaparlaments angehört worden. Widerstand bildete sich bei den Befragungen der sechs designierten Vizepräsidentinnen und -präsidenten.

Streit gab es vor allem um den italienischen Kommissaranwärter Raffaele Fitto. Mit ihm soll zum ersten Mal ein Politiker der rechten italienischen Partei Fratelli d’Italia (Brüder Italiens) zu einem der Vizepräsidenten der EU-Kommission ernannt werden. Er wird wahrscheinlich Kommissar für Kohäsion und Reformen werden und wäre damit unter anderem für den Europäischen Sozialfonds und einen Fonds für regionale Entwicklung verantwortlich. Die S&D-Fraktion wollte aber nicht, dass ein rechter Politiker eine herausgehobene Position als Vizepräsident bekommt.

Das Mitte-Rechts-Bündnis EVP weigerte sich wiederum zunächst, die derzeitige spanische Umweltministerin und Sozialistin Teresa Ribera als Kandidatin zu bestätigen. Die Sozialistin soll als Vizepräsidentin für Wettbewerbspolitik und den grünen Wandel zuständig werden. Konservative und rechte Abgeordnete aus Spanien werfen ihr vor, die Bevölkerung im Oktober nicht rechtzeitig vor den schweren Überschwemmungen in der Region Valencia gewarnt zu haben.

Änderungen bei Ungarns Kommissar

Auch um Ungarns Kommissar Oliver Varhelyi hatte es Zwist gegeben. Er steht schon länger wegen seiner Loyalität gegenüber dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban in der Kritik. Der Kompromiss sieht nun vor, dass Teile seiner zunächst vorgesehenen Zuständigkeiten an andere Kommissare gehen sollen. Nach Angaben des CDU-Europaabgeordneten Peter Liese soll unter anderem die Kompetenz für Pandemie-Prävention an die belgische Kommissarsanwärterin Hadja Lahbib übertragen werden. 

Aus Reihen der Grünen kam bereits am Abend vehemente Kritik daran, dass die S&D dem Kompromiss zugestimmt hat. „Die Sozialdemokraten brechen ein zentrales Wahlkampfversprechen: Sie machen gemeinsame Sache mit Europafeinden und Post-Faschisten und wollen die Kandidaten aus Ungarn und Italien wählen“, teilte der Grünen-Abgeordnete Daniel Freund mit. Sein Parteifreund Michael Bloss sagte, die Zustimmung der S&D sei „würdelos“.