Das Designer-Duo Dolce & Gabbana und Reality-Star Kim Kardashian sind skandalgestählt. Jetzt arbeiten sie auch noch zusammen – und passen unverschämt gut zusammen.
Mamma Mia, was für eine Szene. Die sizilianische Sexgöttin hat gerade Pasta gekocht, natürlich im Al-dente-Leoparden-Negligé. Aber jetzt hängt sie gedankenverloren mit dem Kochlöffel am Fenster herum, während die Spaghetti neben ihr im Topf wahrscheinlich kalt und klebrig werden. Weil da nur Alte und Katzen in ihrem Hof sitzen? Was auch immer hier sinniert werden soll, irgendwie musste das berühmte Dekolleté halt italienisch in Szene gequetscht werden, um diese kongeniale Kooperation zu verkünden: Dolce & Gabbana x Skims. Kim Kardashian und ihre Shapewear-Linie tun sich für eine Kollektion mit den italienischen Dolce-Vita-Designern zusammen.
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Entsprechend sieht die 44-Jährige auf den Fotos der Kampagne aus wie eine Kreuzung aus Gina Lollobrigida und Sophia Loren. Das dunkle Haar ist gelockt und durchgestuft, die Taille schmal, der Busen hochgebockt, der Blick extra sinnlich. Auf einem Foto trägt sie, allen Ernstes, eine kleine weiße Schürze zu sexy schwarzen Strümpfen. Als die Kollektion am vergangenen Dienstag online ging, brach die Skims-Seite zeitweise wegen des großen Ansturms zusammen.
Kim Kardashian scheint in ihrer Italien-Ära angekommen zu sein
Die Paarung ist nicht mal sonderlich überraschend. Der Reality-TV-Star war bereits Aushängeschild der Dolce & Gabbana-Show im Herbst 2022, ihre Schwester Kourtney Kardashian engagierte die Italiener für die Ausstattung ihrer Hochzeit in Portofino. Aber um Originalität geht es schon lange nicht mehr, die Leute lieben klare Ansagen. Außerdem passt hier alles zusammen. Nicht nur sind beide Seiten dafür bekannt, mit ihren Produkten die Figur zu modellieren. Auch die Attitüde dieses Trios quetscht sich perfekt in den aktuellen Zeitgeist der alten, neuen Ära Trump, in der man mit allem durchkommt – solange man die Leute nur gut genug unterhält.
Viel Flor, aber kein Grund zur Trauer: 2023 besuchten Kim Kardashian und ihre Mutter Kris Jenner die Alta-Moda-Show des Labels in Apulien. Zwischen ihnen Domenico Dolce
© Nadia Lee Cohen/Courtesy of Dolce & Gabbana x Skims
Zur Erinnerung: Sollten Domenico Dolce, 66, und Stefano Gabbana, 62, nicht eigentlich längst gecancelt sein? Skandale lieferten die beiden mehr als genug. 2015 äußerte sich Dolce, als guter Katholik, negativ über homosexuelle Paare mit Kindern, woraufhin Elton John wütend zum Boykott des Labels aufrief. Sommerschuhe wurden auf der Website schon mal ironiefrei „Slave Sandals“ genannt, dazu kleidete die Marke, im Gegensatz zu vielen anderen, mit Vergnügen die damalige First Lady Melania Trump ein. Legendär ist die Kampagne aus dem Jahr 2018, in der ein chinesisches Model versucht, mit Stäbchen Gerichte wie Nudeln und Pizza zu essen. Was eine lustige „Liebeserklärung an China“ sein sollte, empfanden viele dort als diskriminierend. Der erwartete Exodus blieb jedoch aus. 2023 erreichte das Label einen Rekordumsatz von rund 1,8 Milliarden Euro.
Kim Kardashian wiederum besuchte während der ersten Amtszeit von Trump ein paarmal das Weiße Haus und ist mit Ivanka Trump und Jared Kushner befreundet. Alles nur wegen ihres damaligen, etwas bipolaren Ehemanns Kanye West? Vergangene Woche zeigte sie sich flirtend mit dem neuen Tesla-Roboter von Trump-Intimus Elon Musk.
Sollten Dolce & Gabbana nicht eigentlich längst gecancelt sein?
Immer wieder stand sie auch für sogenanntes Blackfishing in der Kritik. Kim Kardashian ist Amerikanerin mit armenischen Wurzeln. Mit geflochtenen Zöpfen, dunklem Make-up und einem künstlich aufgepolsterten Hintern gab sie sich jedoch häufig betont afroamerikanisch. Nun ist sie offensichtlich in ihrer italienischen Phase angelangt. Andere kassierten schon für weniger kulturelle Aneignung Shitstorms. Ihr dagegen folgen auf Instagram weiterhin 360 Millionen Menschen. Die erst 2019 von ihr mitgegründete Marke Skims erreichte laut „New York Times“ vergangenes Jahr einen Wert von vier Milliarden Dollar.
Sanduhr-Silhouette: Im Herbst 2022 trat Kim Kardashian bei der Modenschau von Dolce & Gabbana in Mailand auf
© WireImage/Getty Images
Das illustre Trio verbindet also nicht zuletzt, dass bei ihnen alles wie an einer gut beschichteten Teflonpfanne abzuperlen scheint. Nichts bleibt groß haften. Mit Elton John schlossen Dolce & Gabbana kurzerhand Frieden, nach dem China-Debakel krochen sie nicht etwa lange öffentlich zu Kreuze. Stattdessen holten sie lieber einen neuen Celebrity-Manager von Versace an Bord, halten nun selbst weitgehend die Klappe und lassen teuer bezahlte Promis für sich sprechen. Bei der Fashion Show im September saß Altstar Madonna im Publikum.
Auch bei Kardashian erinnert man sich an keine großen „Mea Culpa“-Momente. Als sie nach ihrem Auftritt in dem Marilyn-Monroe-Glitzerkleid bei der Met Gala 2022 stolz erzählte, dafür sieben Kilo in nur drei Wochen abgenommen zu haben, und erwartungsgemäß für einen Aufschrei sorgte, ließ sie lediglich verlauten, sie habe nichts „Ungesundes“ getan, und verglich ihre Leistung mit der von Schauspielern wie Renée Zellweger und Christian Bale, die für Rollen ebenfalls stark zu- oderabnahmen. Sie scheint ihre Sanduhr-Silhouette seitdem sogar noch offensiver zu präsentieren. Die große Portion Pasta im Bild? Hat sie eher nicht gegessen.
Musk-have: Bei Instagram posiert Kardashian lasziv vor einem Auto, in dem ein Roboter von Tesla sitzt
© Supplied by PLANET PHOTOS
Mit dieser schamlosen Selbstgerechtigkeit ähneln Kardashian und die Designer dem Mann, der gerade wieder zum amerikanischen Präsidenten gewählt wurde. Wie Trump sind sie absolut konsistent in ihrem Auftreten, unbeirrt schlagen sie in die immer gleiche Kerbe. „Kleider von Dolce & Gabbana sind sexy, weiblich, hochwertig gemacht, und das ist es, was die Zielgruppe sucht“, sagt Susanne Botschen, die die beiden Designer mit ihrer Münchner Boutique „Theresa“ Ende der 1980er-Jahre nach Deutschland holte. Im Grunde erinnert die notorische Ausschlachtung des italienischen Dolce Vita an eine auf Mode angewandte „MAGA“-Kampagne. Kardashian wiederum wurde mit einem Sexvideo berühmt und setzt noch immer auf aufreizende Posen, die maximal inszeniert werden.
Selbst wer das Treiben dieser Leute mit Kopfschütteln verfolgt – hinschauen tun dann doch alle und sind so fassungslos wie fasziniert. Dolce, Gabbana und Kardashian bedienen die niedrigsten Mechanismen des Showgeschäfts. Realsatire als Unterhaltung.
Das pralle Klischee: Auf den Kampagnenmotiven inszeniert sich Kardashian als Vollblutweib im Fifties-Look
© Nadia Lee Cohen/Courtesy of Dolce & Gabbana x Skims
Unvergessen der 40. Geburtstag von Kardashian, den sie auf einer Privatinsel feierte. Dummerweise fiel die Sause mitten in die Pandemie, als der unprivilegierte Rest der Welt noch zu Hause saß. Neben viel Neid und ein bisschen Wut sorgte die bodenlose Frechheit für massenweise Meme-Futter und noch mehr Aufmerksamkeit.
Bei den Modeschauen von Dolce & Gabbana geben selbst eingefleischte D & G-Hasser unter Redakteuren und Stylisten zähneknirschend zu, dass Frauen, gerade die jenseits einer Kleidergröße 38, leider umwerfend in den Sachen aussehen. Und wenn die beiden alternden Designer dann tatsächlich wieder selbst auf ihrer Aftershow-Party in Mailand erscheinen und zu Italo-Disco-Musik eigenhändig Pasta servieren, ist das natürlich ein totales Klischee. Aber am Ende schmelzen die Leute halt doch wieder dahin wie warmer Mozzarella.