Elektronische Akte statt Papierberge – Sachsen-Anhalt liegt hinter den Zielen weit zurück. Justizministerin Weidinger geht nun ein Stück des Wegs ohne den Dienstleister des Landes.
Sachsen-Anhalt ergreift zusätzliche Maßnahmen, um die Digitalisierung in Gerichten und Staatsanwaltschaften voranzubringen. Unabhängig vom IT-Dienstleister des Landes Dataport plane das Justizministerium, einen Teil der Servertechnik, Software, Hardware und Wartung übergangsweise selbst in die Hand zu nehmen, kündigte Justizministerin Franziska Weidinger (CDU) an. Ziel sei, Richtern, Staatsanwälten und weiteren Mitarbeitern der Justiz zeitgemäßes mobiles Arbeiten zu ermöglichen und zugleich den Weg zur E-Akte bei Gerichten und Staatsanwaltschaften zu bereiten.
Bislang könnten das technisch bedingt nur wenige der rund 3.500 Beschäftigten bei Gerichten und Staatsanwaltschaften. Schulungen und Verknüpfungen unterschiedlicher Systeme sollen ermöglicht werden – alles bei hohen Anforderungen an die Datensicherheit.
Der Rechenstandort Barby solle so erweitert werden, dass er die Vielzahl an lokalen Servern in den Gerichtsstandorten und Staatsanwaltschaften ablöse. Aus dem Corona-Sondervermögen des Landes sollen dafür im laufenden Jahr zur Verfügung stehende Mittel in Höhe von rund 12,7 Millionen Euro abgerufen werden, so Weidinger.
Sie betonte, es handele sich um eine Übergangslösung zur Beschleunigung der notwendigen Arbeiten an der Infrastruktur. „Das ist ein erheblicher Kraftakt für die IT-Stellen der Justiz.“ Parallel und auch zukünftig wolle man mit Dataport zusammenarbeiten und die gesamten IT-Systeme zu gegebener Zeit auch dorthin vollständig überführen. Von dieser Infrastruktur würden künftig auch der Justizvollzug und der Soziale Dienst der Justiz Sachsen-Anhalt profitieren.
Justiz soll bundesweit bis 2026 mit E-Akten arbeiten
Der Bund der Richter und Staatsanwälte in Sachsen-Anhalt sieht den Zeitpunkt kritisch. Es sei nicht nachvollziehbar, warum das Land erst jetzt erkannt habe, dass die Ziele mit dem Dienstleister nicht zu erreichen seien. „Man hätte die zurückliegende Zeit besser nutzen können“, sagte der Landesvorsitzende Christian Hoppe.
Hintergrund ist das bundesweite Ziel, dass die Justiz bis 2026 vollständig mit elektronischen Akten arbeiten kann. Papierakten sollen abgelöst werden. Der Prozess wurde vor vielen Jahren in Gang gesetzt. Mehrere Bundesländer sehen sich auf einem guten Weg. In Sachsen-Anhalt gibt es noch enormen Nachholbedarf, so Weidinger. Das Ziel kann absehbar nicht erreicht werden.
„In der Verwaltungsgerichtsbarkeit sind wir mit Dataport schon relativ weit“, sagte sie. „Alle Erkenntnisse, die sich im Rahmen der Pilotierung dort bislang ergeben haben, stimmen mich optimistisch, dass für die Fachgerichte eine federführende E-Akte zur gesetzlichen Umsetzungsfrist realisiert werden kann.“ Dazu gehören die Verwaltungsgerichte, Arbeits- und Sozialgerichte.
Allerdings werde es so nicht in allen Gerichten möglich sein, bis 2026 komplett mit der E-Akte zu arbeiten. In den Amtsgerichten etwa bleibe die federführende Papierakte wohl noch länger bestehen. „Das ist eine bittere Erkenntnis“, sagte die Ministerin. Sie betonte, einen Einfluss auf die Verfahren der Bürgerinnen und Bürger habe das nicht. Aber es sei ihr Ziel, im Länderverbund endlich aufzuholen und Schritt zu halten, so Weidinger.
Andere Bundesländer auf gutem Weg
Mehrere andere Bundesländer sehen sich schon auf einem guten Weg zur Einführung der E-Akte. So meldete Mecklenburg-Vorpommern kürzlich, man liege gut im Zeitplan. Alle 13 Fachgerichte seien mittlerweile angeschlossen, Strafgerichte und Staatsanwaltschaften fehlten aber auch dort noch. Im Nachbarland Niedersachsen sind die Arbeitsgerichte bereits umgestellt, Sozialgerichte, das Finanzgericht und viele Verwaltungsgerichte ebenfalls. Mitten im Umstellungsprozess befänden sich Oberlandes- und Landesgerichte, Amtsgerichte kämen nach und nach hinzu. Bei Strafsachen seien die Systeme noch nicht mit denen der Polizei kompatibel, hieß es zuletzt aus Hannover. Auch in Sachsen läuft die Umstellung.
Aus Sicht des Vorsitzenden des Richterbundes, Hoppe, ist noch offen, welche Folgen es hat, wenn Sachsen-Anhalts Justiz 2026 nicht in Gänze auf die E-Akte umgestellt sei. Was geschehe etwa, wenn ein Verfahren samt E-Akte aus einem anderen Bundesland an ein sachsen-anhaltisches Gericht oder eine Staatsanwaltschaft abgegeben werde, weil die Zuständigkeit dort liege? Eine Möglichkeit ist laut Hoppe, dass die E-Akte dann ausgedruckt wird.
Die Vorsitzende der Linken-Landtagsfraktion, Eva von Angern, sagte, die Digitalisierung im Justizwesen in Sachsen-Anhalt stecke seit Jahren nur in den Kinderschuhen. „Das ist eine mehr als amateurhafte und traurige Geschichte, die bereits seit Jahren auf dem Tisch des Justizministeriums liegt.“ Justizministerin Franziska Weidinger schaffe „aktuell wieder nur Zwischenlösungen, statt eine grundlegende Gesamtstrategie auf den Tisch zu legen“.