Arbeiten im Alter: Mit 98 noch Tischlermeister - 115 Stufen hoch zum Auftrag
Mit 14 ging Heinrich Benecke in die Tischlerlehre - mit 98 kann er immer noch nicht von der Handwerksarbeit lassen. Die gemeinsamen Projekte mit seinem Sohn faszinieren ihn nach wie vor.

Mit 14 ging Heinrich Benecke in die Tischlerlehre – mit 98 kann er immer noch nicht von der Handwerksarbeit lassen. Die gemeinsamen Projekte mit seinem Sohn faszinieren ihn nach wie vor.

Heinrich Benecke aus Ellringen im Landkreis Lüneburg arbeitet seit 84 Jahren als Tischler – und ans Aufhören verschwendet der 98-Jährige derzeit noch keinen Gedanken. „Ich sehe das so: Wenn ich Freizeit habe, ist es sinnvoll, wenn ich etwas Vernünftiges mache“, sagt der rüstige Senior bei Arbeiten im Kirchturm der St. Johanniskirche im benachbarten Dahlenburg. Er ist bei seinem Sohn Andreas angestellt und werkelt täglich mit. 

Die 115 Stufen hoch zum Auftrag in dem denkmalgeschützten Gotteshaus nimmt Heinrich Benecke nur einmal am Tag, die schweren Materialien schleppt er nicht mehr. Das übernehmen der Sohn und Praktikant Mark. „Das ist schon ungewöhnlich, so alt und noch so fit“, sagt der Zehntklässler. Er habe Respekt vor der Leistung. Der 16-Jährige schnuppert in den Beruf rein: „Mit Holz zu arbeiten macht mir Spaß.“ 

Zwei Jahre jünger war Heinrich Benecke, als er in die Lehre ging. Sein Vater war früh gestorben, der Traditionsbetrieb von 1888 ruhte, bis er ihn nach der Ausbildung zum Meister wieder zum Leben erweckte. Zuvor musste er mit 17 in den Zweiten Weltkrieg ziehen, war mehrere Jahre in russischer Gefangenschaft, wie er erzählt. 

„Die ganz schweren Arbeiten kann ich nicht mehr“, sagt der langjährige Handwerker beim Anblick der schweren, verrotteten Schallluken, die etwa 1,60 mal 3 Meter messen. Allein, um die festgerosteten Schrauben aus den Holzluken im luftigen Kirchturm loszubekommen, braucht es Erfahrung und Kraft. 

Der Seniorchef ist fast nie krank

Nach dem Ausbau einer Luke wird die Öffnung provisorisch mit Brettern verschlossen. Wenn das alte Holz so morsch ist, dass es ganz ausgetauscht werden muss, werden die neuen Bretter in der Werkstatt in Ellringen zugeschnitten. Immer ein wenig zu groß, damit sie vor Ort angepasst werden können. 

Um die drei Kirchenglocken müssen die Experten mühsam herumarbeiten, ein Gerüst gibt es nicht. Zur vollen Stunde setzen sie sich wegen des lauten Geläutes Gehörschutz auf. Ende 2025 sollen alle acht Dachluken restauriert sein. 

Der Seniorchef sei jeden Tag dabei, setze sich selten auf den kleinen Stuhl in einer Ecke und komme im Jahr etwa auf drei Krankheitstage, erzählt der Sohn. Manchmal täten die Knochen weh, gibt Heinrich Benecke zu, aber im Großen und Ganzen habe er Glück gehabt mit der Gesundheit: „Vielleicht sind das die Gene.“

Auf die Frage, ob es denn immer problemlos ist, mit dem Vater zusammenzuarbeiten, lacht der Sohn und sagt: „Manchmal ist es schon schwierig, wenn er sagt, früher haben wir das anders gemacht.“

Ein Fest zum 100. Geburtstag

Die Familie Benecke lebt in mehreren Generationen zusammen auf dem Hof in Ellringen. Um kurz nach sechs Uhr morgens trifft sie sich am Frühstückstisch des Großvaters. „Ich koche den Kaffee“, sagt Heinrich Benecke, dessen Frau vor drei Jahren gestorben ist. „Bei uns ist Leben in der Bude.“ Im Dezember wird er 99, aber erst ein Jahr später soll es ein großes Fest geben.