Das Wort des Herrn: Weidel-Musk-Talk: Als Hitler zum rosa Kaninchen wurde
US-Milliardär Elon Musk stattet Rechte und Rechtsextreme in Europa mit politischer Infrastruktur und Reichweite aus. Was ist eigentlich die Antwort der Volksparteien darauf?

US-Milliardär Elon Musk stattet Rechte und Rechtsextreme in Europa mit politischer Infrastruktur und Reichweite aus. Was ist eigentlich die Antwort der Volksparteien darauf?

Nach 32 Minuten geht es um Hitler.

Ich weiß nicht, was ich von diesem Gespräch erwartet habe. Aber dass Elon Musk und Alice Weidel aus heiterem Himmel über Adolf Hitler diskutieren würden, hatte ich nicht auf dem Zettel.

Sie müsse sich dazu als Ökonomin einmal äußern, erklärt Alice Weidel ihren bemerkenswerten Einwurf. Im Wort „Nationalsozialismus“ stecke der Begriff „Sozialismus“. Nicht zuletzt deshalb sei Adolf Hitler ein Sozialist gewesen (kurze Anmerkung: war er nicht), der die gesamte Industrie verstaatlicht habe (hat er nicht). Elon Musk murmelt zustimmend. Adolf Hitler, das betont Alice Weidel noch einmal, sei nicht „rechts“ gewesen. Nein, Adolf Hitler war, so Weidel, ein „sozialistisch-kommunistischer Typ“. Zwischendrin muss die AfD-Vorsitzende bei ihrem Mitarbeiter auf Deutsch nachfragen, wie das englische Wort für „verstaatlichen“ heißt.

Mit Weidel und Elon Musk von Fauxpas zu Fauxpas 

Es ist ein Gespräch wie ein Fiebertraum. Der reichste Mann der Welt im Gespräch mit der Vorsitzenden der zweitstärksten Partei in der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt. Das Interview beginnt damit, dass Elon Musk in einem Tweet „Alice Wiedel“ ankündigt und einen falschen Twitter-Account verlinkt. Ein Fauxpas wie eine böse Vorahnung. Irgendwann aber geht es tatsächlich los.

Musk Weidel Analyse 22.00

Bereits die erste Frage bringt Alice Weidel in Bedrängnis. Man könnte meinen, dass die Parteivorsitzende, Fraktionsvorsitzende und Kanzlerkandidatin der AfD von allen Fragen dieser Welt ausgerechnet diese eine aus dem Stegreif beantworten könnte: „Was ist die AfD?“.

Alice Weidel stammelt und verhaspelt sich. Die internationale Zuhörerschaft hört Sätze, die klingen, als hätte man einen chinesischen Glückskeks erst ins Klingonische übertragen, um ihn anschließend ins Englische zu übersetzen. Dabei geht es 75 Minuten lang um alles. Das Erbe der „grünen Kanzlerin Angela Merkel“, die deutschen Schulen und Universitäten, „wo nur noch Gender-Propaganda gelehrt“ werde, die „explodierende Kriminalität“ auf deutschen Straßen, illegale Migranten und natürlich Hitler, der „sozialistisch-kommunistische Typ“.

Es ist ein wenig so, als hätte man eine Guido Knopp-Doku mit Astro-TV gekreuzt

Nach einem kurzen Schwenk in Richtung Ukraine und Israel geht es etwas abrupt um die Themen Mars-Besiedelung, Gott und Schopenhauer. Und dann, einfach so, ist es vorbei.

Ich überlege, wie ich dieses außergewöhnliche Gespräch beschreiben soll. Es ist ein wenig so, als hätte man eine Guido Knopp-Doku mit Astro-TV gekreuzt und das Ergebnis von Gabor Steingart moderieren lassen.

Gleichzeitig fügt sich dieser Beitrag in seinem Irrsinn wunderbar in die außenpolitische Großwetterlage ein. Die Welt ist im Jahr 2025 nach rechts gerückt und darüber verrückt geworden. 

Protokoll eines andauernden Ausnahmezustandes

In den USA hat der designierte Präsident Donald Trump erst vor wenigen Tagen Strafzölle gegen den Nato-Partner Dänemark sowie Militäreinsätze gegen Grönland und Panama ins Spiel gebracht. Dem Nachbarland Kanada, ebenfalls Nato-Partner, droht Trump mit Annexion und „wirtschaftlicher Gewalt“. Den Golf von Mexiko möchte Trump in „Golf von Amerika“ umbenennen.

Im Vereinigten Königreich strebt der US-amerikanisch-britische Kickboxer Andrew Tate mit der Unterstützung von Elon Musk das Amt des Premierministers an. Tate sitzt gerade in Rumänien fest, wo er wegen Vergewaltigung und Menschenhandel angeklagt ist.

In Österreich wurde Herbert Kickl mit seiner rechtsextremen FPÖ vom Bundespräsidenten Alexander van der Bellen zur Regierungsbildung beauftragt und hat bereits „Zensur, Woke- und Genderdiktaten“ den Kampf angesagt.

Kasten Anpalagan

In Frankreich ist die rechtsextreme Marine Le Pen dem amtierenden Präsidenten Emmanuel Macron dicht auf den Fersen. In Italien herrscht die Postfaschistin Giorgia Meloni. In den Niederlanden wurde die Partei des rechtsextremen Geert Wilders jüngst zur stärksten Kraft im Land gewählt. In Ungarn arbeitet der Autokrat Viktor Orbán an der Destabilisierung Europas. Unterstützt werden sie alle mittelbar oder unmittelbar von Elon Musk.

Das sollte beunruhigen. Eigentlich.

Demokratische Kräfte in Deutschland und Europa sollten sich gegen diese politischen Pyromanen zur Wehr setzen, bevor die ganze Welt in Flammen steht. Stattdessen scheint man in der demokratischen Mitte auf rechtsextreme Wähler und Leser zu schielen. Anders lässt sich kaum erklären, warum in der „Welt am Sonntag“ ein offener Wahlaufruf für die AfD aus der Feder von Elon Musk erscheint. Oder warum kurze Zeit später die „Welt“-Journalistin Nena Brockhaus auf „Welt TV“ Alice Weidel zur Gewinnerin des Tages erklärt. Oder warum die CDU-Politikerin Julia Klöckner einen Instagram-Beitrag mit den Worten „Für das, was ihr wollt, müsst Ihr nicht die AfD wählen. Dafür gibt es eine demokratische Alternative: die CDU“ veröffentlicht und damit den Eindruck verstärkt, die CDU sei die „Alternative für Deutschland mit Substanz“, wie es CDU-Chef Friedrich Merz einmal formulierte.

Reaktionen Weidel Musk 10.38

Gründe zur Besorgnis 

Die AfD ist eine in veritablen Teilen rechtsextreme Partei. Ihre Taktgeber sind rechtsextrem, ihre Vordenker sind rechtsextrem, ihr ideologisches Umfeld ist rechtsextrem. Immer wieder werden Verbindungen zwischen der Partei und dem rechten Terror in Deutschland offenbar. So lassen sich Verbindungen zwischen den Terrororganisationen „Gruppe Freital“, „Nordkreuz“, „Revolution Chemnitz“, „Zuflucht“, „Patriotische Union“, „Gruppe S.“, „Sächsische Separatisten“ und der AfD nachzeichnen. Der Mörder von Walter Lübcke war Anhänger der AfD und klebte für die Partei Plakate. Der Komplize des rechtsextremen Bundeswehrsoldaten Franco A. war AfD-Mitglied. Im August 2024 ruft der AfD-Landtagsabgeordnete Maximilian Müger auf TikTok mit einem Sturmgewehr in der Hand zum Kampf gegen Migration auf. An Beispielen für die Gefahr, die von der AfD ausgeht, mangelt es wahrhaftig nicht.

Gerade deshalb sollte es beunruhigen, wenn Rechtsextreme mit Infrastruktur und Reichweite ausgestattet oder von Milliardären aus dem Ausland finanziert werden.

Das Jahr 2025 hat gerade erst angefangen. Ich hoffe, wir bringen es zu Ende, ohne dass „sozialistisch-kommunistische Typen“ die Welt in Schutt und Asche legen.