Nach der Landtagswahl gibt es ein Patt im Thüringer Landtag. Die von der CDU angestrebte Koalition mit BSW und SPD hat nur 44 von 88 Stimmen. Muss sie deshalb von der Linken toleriert werden?
Nach Einschätzung des Jenaer Politikwissenschaftlers Torsten Oppelland braucht die von der CDU angestrebte Brombeer-Koalition keinen Tolerierungs- oder Duldungsvertrag mit der Linken. „Die 44 Stimmen, die CDU, BSW und SPD zusammen haben, reichen im Grunde“, sagte Oppelland der Deutschen Presse-Agentur. In Thüringen wird seit der Landtagswahl vor knapp vier Wochen über Konsequenzen aus dem Patt im Landtag diskutiert.
Eine Brombeer-Koalition, für die in der kommenden Woche die Sondierungsgespräche beginnen sollen, verfügt über keine eigene Mehrheit. Ihr fehlt bei den 88 Abgeordneten im Landtag in Erfurt mindestens eine zusätzliche Stimme.
AfD und Linke stimmen kaum zusammen ab
Oppelland begründete seine Einschätzung, dass die Linke nicht zwingend ins Boot geholt werden muss, mit der Unterschiedlichkeit der mutmaßlichen Oppositionsfraktionen Linke und AfD. „Weil Linke und AfD kaum jemals im Landtag gemeinsame Sache machen, reichen die 44 Stimmen der Brombeer-Koalition theoretisch. Es muss nicht zwingend eine Duldung oder Tolerierung durch die Linke geben.“ Alle Landtagsparteien haben eine Zusammenarbeit mit der AfD ausgeschlossen, die in Thüringen erstmals die stärkste Fraktion in einem Landesparlament stellt.
Oppelland widersprach mit seiner Haltung, dass eine Brombeer-Koalition mit einem Stimmenpatt „aller Wahrscheinlichkeit nach auch ohne feste Vereinbarungen mit der Linken funktionieren wird“ indirekt SPD-Chef Georg Maier. Der SPD-Politiker hatte bei der Einwilligung in Sondierungsgespräche mit CDU und BSW erklärt, es bräuchte auch eine Verständigung mit der Linken. „Klar ist jedoch: Wir beteiligen uns an keiner Koalition, die wechselnde Mehrheiten mit der AfD in Kauf nimmt“, erklärte Maier laut SPD-Mitteilung. Deshalb brauche es ein parlamentarisches Format der Abstimmung mit der Linken. Wie das aussehen könnte, ließ der SPD-Vorsitzende offen.
Brombeere könnte landespolitisch funktionieren
Oppelland hält auch Gespräche mit der Linken für richtig. Die gebe es ja offensichtlich zwischen CDU-Fraktionschef Mario Voigt und Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) zum Haushalt 2025. Die Regierungsbildung in Thüringen ist auch so schwierig, weil die CDU nach einem entsprechenden Parteitagsbeschluss bundesweit eine Zusammenarbeit mit der AfD, aber auch mit der Linken ausschließt.
Der Jenaer Politikwissenschaftler bekräftigte seine Haltung, wonach CDU, die Wagenknecht-Partei BSW und die SPD bei landespolitischen Themen „gar nicht so weit auseinander sind“. Das betreffe unter anderem die Bildungspolitik oder die innere Sicherheit. „Befindlichkeiten sind da etwas anderes.“
Voigt fehlte Amtsbonus
Den Grund für die besondere Stärke der AfD in Thüringen, die 32 Sitze im Landtag hat, sieht Oppelland darin, dass Ramelow im Gegensatz zu den Ministerpräsidenten in Brandenburg und Sachsen nicht der „Kristallisationspunkt der Anti-AfD-Wähler war“. Diese Rolle habe der Linke-Politiker 2019 in der Auseinandersetzung mit AfD-Chef Björn Höcke noch gehabt. „In diesem Jahr konnte er diese Rolle nicht ausfüllen, weil er kaum eine Option auf eine dritte Amtszeit hatte. Es war klar, dass ihm das BSW zu viele Stimmen wegnimmt.“ Der CDU-Vorsitzende Voigt habe versucht, die Rolle von Ramelow in Bezug auf die AfD einzunehmen. „Er hat das aber nicht geschafft, weil ihm der Amtsbonus fehlte.“
Die CDU wurde bei der Landtagswahl mit 23 Sitzen im Parlament zweitstärkste Partei, das BSW hat 15 Sitze, die Linke 12 und die SPD 6.